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Unerkannt geisteskrank - oder die Rückkehr in Ostseeheilbäder!



Ein Strandspaziergang nach dem ersten Abendessen im heiligen Graal. Ganz unsentimental: Hier und heute ist und war nicht nur das Meer aufgewühlt – und wirklich kein Filter nötig ... Überhaupt, ich wusste gar nicht mehr wie das am Strand so ist OHNE Strandhändler und Masseure. Herrlich verrückte Ostsee!!




Dramatischer Himmel über dem Hotel "Neptun". Da konnten wir noch nicht wissen, dass wir quasi schon in Rostock waren, auch wenn das die Warnemünder schon seit 1323 nicht mehr hören können.




Der Ostsee-KASPER kommt! Wobei das Plakat eher die Wahrheit dehnte, denn der Ostsee-KASPER war doch schon längt da und klapperte alles mit dem Leidhrad ab ...




Ein Viertelbad in der Ostsee ... So alle sieben Jahre existieren dann doch Bilder von mir, auf denen ich KEINEN KRAGEN trage. Oder Socken.




Verdammte Poser-Möwen setzen sich am Strand noch mal für uns Touristen in Szene ...

Nachtrag zur letzten Kolumne: Ich habe einer Gaststätte in Prenzlau schrecklich Unrecht getan!! Man hat durchaus eine größere Auswahl als Vegetarier. Wie ein befreundeter Corpsstudent richtig feststellte, so kann man im von mir polemisch gewählten Beispiel auch noch Gericht Nummer 61 ("Omelett mit gebutterten Früchten") und Nummer 65 ("Omelette mit frischen Champignons, pommes frites") wählen. Ich bitte diesen Fauxpas vielmals zu entschuldigen & revoziere hiermit in aller Form!!


Weiter, immer weiter! Nach dem Spaßbad Prenzlau ging es an die richtige Ostsee. Ich war jedoch schon ein bißchen in Sorge:

 

"Die raue Herzlichkeit der Küstenbewohner sorgt für die nötige Prise Authentizität", warnte der Reiseführer.

 

Von einer Thüringerin lernte ich aber, dass die "Nordlichter/Fischis" (ich habe nur zitiert!) sehr umgänglich seien. Auf dem Weg an die Ostsee stiegen wir in Stralsund um, gottseidank gab es noch ein freies Schließfach, und genehmigten uns eine zweistündige Druckbetankung ebendort. Ging ja, wir hatten ja Urlaub. Für uns stand der Leistungskurs "Wege zur Backstein-Gotik" auf dem Lehrplan. Den Zimmerschlüssel, den ich in Prenzlau zurückzugeben vergaß und nach dem der intellektuell herausgeforderte Rezeptionist auch nicht fragte, schickte ich auseinandergebaut zurück. Also den Schlüssel. Per Briefpost. Hoffentlich ist er jemals angekommen.

 

Ankommen. Irgendwann ankommen. Die Anreise war ohnehin kühn! Während alle Welt über Rostock nach Graal-Müritz fährt, zumindest wenn die Reise mit dem Zug oder Flugzeug unternommen wird, kamen wir über die andere Flanke. Aber diese "interessante" Anreise führte dazu, dass wir Dinge zu sehen bekamen, die man sonst nie sieht. Oder dass wir mit einer Schülergruppe mitten in der Industriegebietspampa auf einen Bus warteten. Crazy Nordostdeutschland! Nur echt mit Papierkorb im Linienbus.

 

Nach dem Fußmarsch vom Bahnhof schritten wir in den Fußstapfen von Robert Musil, und was der Mann mit Eigenschaften kann, können wir schon lang! Nämlich im grandiosen und "berühmt-berücksichtigten" Waldhotel in Graal-Müritz absteigen. Am Ende des Aufenthaltes sagte der Padrone – und es stimmte einfach von Anfang an: "Abnehmen tut hier keiner." Ich glaube, ich war in den letzten Jahren nicht mehr in einem besseren Hotel, in jeglicher Hinsicht! Und deshalb ist nicht nur der Abriss über die Geschichte des Hotels wirklich zu berücksichtigen: Wenn ihr mal in der Nähe seit, so empfehle ich mit absolutem NACHDRUCK dazu, dort zu wohnen. Ich lernte dort übrigens auch zum ersten Mal in meinem Leben Pina-Colada-Quark als Nachspeise kennen und lieben!!

 

Und das tröstete darüber hinweg, dass es in einigen Teilen der Halbinsel zu bizarren Auswüchsen kommt, so zum Beispiel am Darßer Ort: Sie können dort noch nicht einmal richtig Merkel schreiben!! Oder vergessen in Ahrenshoop bei "Kunstkarten" immer das "r". Von den großartigen Fahrradanhängern gar nicht sprechend, die aber mit dem Spruch "RADzfatz über die Insel" wieder entwertet werden!

 

Leider blieb auch die Wespenplage trotz des Küstenwindes weiter bestehen + nervte kolossal. In der Nähe der Seebrücke von Graal-Müritz (der einzigen solarstrombetriebenen Europas!) sah ich einen Obsthändler, der auf seinem Probierteller eine Hornisse sitzen hatte. Ich richtete unmittelbar das Wort an ihn: "Ist das etwa eine dressierte Hornisse?" Er lachte mich an, (aus?) und hielt das für einen "nette Idee." Er konnte ja nun wirklich nicht wissen, dass ich seit Potsblitzdam mit diesem Vorhaben, eine Großwespe abzurichten, schwanger ging!! Er fand das wohl eher "amüsant". Dialog gescheitert. Nach einer unserer Fahrradtouren, bei der wir keine Rücksicht auf uns nahmen, stellte ich in Ahrenshoop fest: Ich bin nahezu die einzige Person ohne Funktionskleidung und Regenhose im Fischland. Fühle mich sehr rebellisch. Oder einfach schlecht vorbereitet. Zumindest beim Regenschauer nach drei Wochen Dauer-Sonnenschein. Aber wir konnten uns in einen Edeka flüchten.

 

Dort fiel mir zum ersten Mal das Plakat "Der Ostsee-Kasper kommt!" auf. Ich zählte die Stunden bis zum Dienstag. Trotz einer 50-Kilometer-Radtour konnte ich bis dahin kaum entspannen. Da wir sehr schnell merkte, dass das Fahrrad die einzig vernehmungsfähige Fortbewegungsart ist (und der Fahrradverleih direkt am Hotel war), machten wir – schön über die Torfbrücke fahrend – alsbald einen Ausflug nach Warnemünde. Die Überfahrt mit der Fähre hielt ich im Zeitraffer fest, woraufhin sich folgender Kurzdialog via Social Media entwickelte:

 

"Die eingeborenen Spaßvögel auf der anderen Fähre riefen heitere Scherzworte herüber." "Ob Deiner Frisur, oder weswegen?" "Vielleicht ob des Beinkleides?!?" "Kamst Du wieder im Schottenrock?" "Nein!“ "Naja, lassen Sie Ihrem Hang zu Postkartenmotiven ruhig freien Lauf!" "Jawoll, ja, Sir!"

 

Am nächsten Tag rückte im Hotel zum ersten Mal ein Bild in meinen Fokus. Wie wohl der Titel lautete?!! "Seestern (rechts) spielt mit Spuckebläschen?!" Mir fielen einige ungewöhnliche Dinge und Namen auf. So zum Beispiel der R-Presber-Weg. Was hat man gegen diesen Weg wohl in der Hand?!? Am Strand von Graal-Müritz lernte ich auch die sehr guten Stralsunder Produkte von der Störtebeker Braumanufaktur kennen; diese gilt es zu zu unterstützen, da es wirklich gelang, ein Pilsener zu brauen, das "craftbeerig" daherkommt und trotzdem nicht nach Toilettensteinen oder Patschuli-Katzenparfum schmeckt ...

 

Danach einen teuflischen Plan geschmiedet: Ich mache an der Ostsee ein Standcafé für Emos & Grufties auf und nenne es "Zur Heulboje". An einem Tag fuhren wir mit dem Linienbus (Abenteuer!) und nicht dem Fahrrad nach Ribnitz-Damgarten. Sie haben es dort irgendwie mit Doppelnamen für Städte. Der Ausflug war eine richtig gute Idee, denn dort aßen wir ein wirklich fantastisches Fischbrötchen. Der "Ribnitzer Fischhafen" konnte einiges und machte es uns nicht einfach: Es gab fünf verschiedene Fisch-Variationen und Fragen zu beantworten, bevor wir dieses Premiumprodukt erhielten – das war fast starbucksesk, aber eines ist klar: Rantum auf Sylt kann sich mal schön gehackt legen!! Dagegen kann auch Ernestos Fischbrötchen nur literarisch "anstinken". Dieses fantastische Produkt brachte das Beste in mir hervor: meinen Humor! "Entschuldigung, ist dieses Ferienbrötchen noch frei?" "Nein, belegt!"

 

In der Marienkirche in Ribnitz (oder war es Damgarten?) sahen wir das Kunstwerk „IN JEDEM WOHNT EIN KÖNIG“ (Blattgold und Eiche) - von Walter Green. Diese Skulptur in der Bernsteinstadt erinnerte mich an irgendwas. Und ich komm' jetzt einfach nicht drauf. Ich komm' nicht drauf. Kann mir mal jemand soufflieren?

 

#ostdeutschland18: Kul- und Radtour!

 

Die Wasseraktionsfläche: "Wer nicht hüpft, der glaubt an Schiller!" - Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich freiwillig in einem Geschäft für "Outdoor"-Bedarf & Funktionskleidung war!

 

Anna Amalia ist Mutter Weimar!" - "Wie ist der Name von Mutter Weimar? Anna Amalia! Anna Amalia!"

 

Zwischenspiel am Tag der Deutschen Einheit: "Dort Saaleck – hier die Rudelsburg!"

 

Potsblitzdam: Friedrich der Große ̶i̶̶s̶̶t̶ war Monsieur 20.000 Voltaire!" - Wann genau wurde eigentlich aus "Friedrich dem Großen" der "Alte Fritz"?

 

"Ey, hasse' mal 'ne Uckermark!" -"Frag' doch Botho Strauß, wenn Du ihn siehst!"

Am vorletzten Tag machten wir uns auf unsere legendäre 80-Kilometer-Radtour. Gegen Prerow ist Graal-Müritz ja ausgestorben wie nach der Zombie-Apokalypse!! Aber ich will die Fischerkirche im Dorf lassen: Einen Teil der Strecke konnten wir mit dem Radanhänger am Bus bewerkstelligen, von da an ging es dann "RADzfatz über die Insel". Und wir fuhren am Weststrand zurück. Soll ja einer der zehn schönsten Strände der Welt sein. War auch an den touristenarmen Abschnitten ganz gefällig. Wir passierten auf der Rückfahrt Wustrow. Da wusste ich sofort: "Wustrow ist ganz nach meinem gustrow! Zwischendurch waren wir sogar schon einmal, ohne es zu wissen, in Rostock: Mit dem Rad! Eine teuflische Tour durch die Heide, den den Wald, und am längsten Marinestützpunkt, an dem ich je vorbei fuhr. Aber die Räder ließen wir am Großen Damm (oder wie das hieß) stehen. Dort konnten wir auch einen dramatischen Himmel über dem Hotel "Neptun" aufnehmen, das genau so alt ist wie ich – und in dem man dem Vernehmen nach, fantastisch Broiler essen kann! Dort ist man für formelle Kleidung am Abend und zu Festlichkeiten in den Restaurants & Bars sehr, sehr dankbar. Am Abend stellte Frau Feynschliff dann fest, ich habe einen braunen Fahrradnacken". Ich hoffe, das ist nicht Ernstes!! Aber Redneck wäre wohl schlimmer. Oder?

 

Der letzte volle Tag war geprägt von dem Wunsch: "Mecklenburg verstehen lernen!" Und zwar bei einem Besuch im "Freilichtmuseum Klockenhagen" in Klockenhagen. Das war sehr, sehr lehrreich! Und beim zweieinhalbstündigen (!) Rundgang sehr viel über das alte Landleben und – ein stets wiederkehrendes Motiv – historische Fahrräder gelernt. Ich beteiligte mich an der Wahl zur "Schönsten Erntekrone 2018" des Bauernverbandes Nordvorpommerns. Ich bin in einer Windmühle gewesen. Und stieß mir den Kopf. Ein paar Esel zeigten uns nicht die "kalte Schulter" ... ;-) Das war also mein Eselerlebnis an der Ostsee!! Danach gab es noch ein intensives Kartenstudium am Jagdschloss Gelbensande und wir gönnten uns zum Abschluss noch einmal einen Sonnenuntergang am Strand mit Strandkorb und allem Pipapo. Auch hier gelang es, gutes Bildmaterial zu erzeugen und ich fragte mich, ob ich nach 20 Jahren vielleicht mal die Inhalte auf http://www.ostseeheilbaeder.de relaunche ... ;-)

 

Hach, ich werde nicht nur den hauchdünn geschnittenen Holzofen-Leberkäse im Waldhotel vermissen ... Aber der Regen in Graal-Müritz erleichtert die Weiterreise nach Rostock etwas ... unfassbar gutes Essen, Frühstück, grandioser Service, die Padronin brachte uns noch zum Bahnhof, damit wir nicht nass wurden ... das war in allen Punkten eine 1 mit Sternchen und Girlanden. Eines wurde mir an der Ostsee, in die ich mich nach sechs intensiven Tagen total verliebte, kristallkar:

 

"Wenn ich noch länger hier bleibe, dann nenne ich mich Heikow Schomberg."