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"Ey, hasse' mal 'ne Uckermark!"Weiter, immer weiter! Wir verließen das schöne Potsdam mit der Bahn in Richtung Uckermark. Das Humorverbrechen "Muss es nicht jetzt 'Uckereuro' heißen?", traute selbst ich mich nicht. Vom Bahnhof, neben dem auch der lokale Fahrradhändler und -verleiher "rad der stadt" lag, erreichten wir nach zehn Minuten Fußweg über eine stark befahrene Ausfallstraße unser Hotel in Prenzlau.
Warum wollten wir in die – was für ein alberner Ausdruck – "Hamptons der Berliner", wie der Tagesspiegel vor kurzem schrieb?
Die Uckermark hat sich den Ruf eingehandelt, die Hamptons und das Long Island von Berlin zu sein, manche sagen: der 13. Bezirk.
So, wie in Mitte und Prenzlauer Berg, dann Kreuzberg, dann Neukölln zunächst einzelne Galerien, Bars und Cafés die einstmals öden Straßenzüge auflockerten, bis diese immer gleichen Cafés, Bars und Galerien selbst zur Ödnis wurden, so eröffnen nun in Gerswalde genau diese Orte, die Veränderung verkünden. Lola Randl war nicht die Erste, aber ein Motor. Einige machten es ihr nach: Heruntergekommene Gehöfte günstig kaufen. Geld, vor allem aber Zeit und Visionen reinstecken.
Der Stadt fürs Wochenende, manchmal sogar ganz den Rücken kehren. Kann ein Dorf gentrifiziert werden? |
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All' das war nicht unser Treiber, die schöne Uckermark zu besuchen! Wir wollten die Ruhe reintun, Rad fahren, spazieren gehen. Entschleunigen. Weniger Eindrücke nach dem visuellen Dauerbombardement Weimar & Potsdam. Wir wollten uns einen Prenzlauen machen. Erholung. Das Haus war ein Hotel mit einem angeschlossenen Irish Pub – oder ein Irish Pub mit einem angeschlossenen Hotel?! Im Overdiek war man nach dem Frühstück auf jeden Fall stets pubsatt!! Überhaupt kam mir Prenzlau als Kind der Generation Kalau vor wie das Paradies: Es gab dort Restaurants an der Uckerpromenade (!), die "Steak it easy!" heißen. Wahrlich ein gefundenes Fressen für mich! Und ich konnte dort farbige & alberne kurze Hosen tragen, wie es im Sprichwort so schön heißt: Die dümmsten Bauern haben die buntesten Hosen. Angst hatte ich nur, dass die kernige Brandenburger Jugend mich für die Farbwahl vertrimmt! Wenigstens fiel ich als Omnivorer nicht noch durch Vegetarismus in der Uckermark auf: Es hätte sonst schwierig werden können ... man hätte mich nach her für einen Berliner Invasor gehalten. ;-) Obwohl Hans Franz Kafka dort auch mal sehr, sehr gut vegetarisch aß! Mit "Spiegeleier mit Spinat, Stachelbeerwein und einen Erdbeerblättertee" hatte er ja vor 108 Jahren deutlich mehr Auswahl als in manchen Gasthäusern Prenzlaus heute ... Kurzer Spoileralarm: Der Junge mit dem Hang zu literarischen Schmonzetten, Frank Kafka, spielt auch noch mal an der Ostsee – genauer gesagt in Graal-Müritz – eine Rolle.
Prenzlau. Stadt küsst See. Und die Stadt, in der Köche mit der Zeitmaschine aus den Achtzigern landen. Und Teller kreieren. Mit Analogkäse. Und so einen Dialog hätte man sich dort auch vorstellen können: "Wir sind Veganer. Was können wir in Ihrem Restaurant bestellen?" "Ein Taxi!" Oder wie es Kafka ausdrückte: "Es ist hier so vegetarisch", schrieb er an Max Brod, "dass sogar das Trinkgeld verboten ist."
Mit "T" wie Trinkgeld wird auch Treets geschrieben. Dieses wunderbare Achtzigerjahre-Genussmittel ist wohl wieder auf dem Markt!! Wenngleich in Orange und nicht in Knatschgelb. Seit wann? Weiß jemand mehr?! Ohnehin scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis das "r" (wie in "Reaktorsicherheit") durch ein "w" (wie in "Wanderungsbewegung") ersetzt wird.
Gewandert sind wir viel durch diese partiell pittoreske Kleinstadt. Die Kirche St. Marien, ach nee, man sagt ja dank Luther "Marienkirche", gefiel mir sehr, sehr gut - ein schöner Vorgriff auf die Backstein-Gotik-Druckbetankung in Stralsund. Es hatte ein bisschen was vom Köln-Dom-Gefühl: Egal an welche Stelle Prenzlaus man sich befand: Man sah die charakteristische Marienkirche! Und auch innen tat sich einiges. Am Uckersee sagte ich "JA!" zur Farbe. Und es war ein Symbolbild OHNE Filter: Die Farbe ist wirklich Flieder. Nicht Fuchsia. Ich fühlte mich an diesem Strand Polen übrigens doppelt so nah wie Berlin. Man konnte dort bei einem Erfrischungsgetränk am See sitzen und NZZ (das papiergewordene Westfernsehen) lesen. Dort erfuhr die gute Laune in der Sommerfrische durch folgende Worte eine Eintrübung: "Auf viele wirkt sie [Merkel] inzwischen wie eine Grabplatte, die sich auf Deutschland gelegt hat." Ein treffendes & deswegen auch furchtbares Bild für die Gegenwart und die Zukunft unseres Landes. Da schwoll mir echt der Bocksgesang! Dennoch: Ucker- statt Rückenmark!! Aber es gilt auch, die Dinge mal zu "benennen". Dieser Alp ließ sich nur durch intensives Radfahren aus dem Hemd schütteln resp. treten.
Nach der mörderischen Tour um die Uckerseen stammte der schönste und bewegendste Satz der Tour von Frau Feynschliff: "Ich kann Prenzlau sehen!" Und Brandenburg ist gar nicht so flach, wie alle behaupten: 311 Höhenmeter!!! Darauf hin gab es Erholungs-Radler am Bahnhof Warnitz, es waren einfach überlebenswichtige Elektrolyte nach 30 Kilometern im Sattel! Und die älteren Damen verwöhnten uns mit selbstgemachtem Kuchen. Auf dem Rückweg, nach unfassbaren Anstrengungen, einem Sightseeingtipp (der sich als kleiner Hochsitz, zusammengebastelt aus Euro-Paletten erwies) und sauren Äpfeln, die wir am Wegesrand aßen, nahm der Tag seinen Abschluss im Strandcafe Balu. Schade, dass ich dort nicht den See befahren konnte, aber das Flamingo-Tretboot biss sich farblich leider total mit meiner orangen Hose und für ein Schwanen-Tretboot fühlte ich mich einfach nicht Ludwig II. genug. Wieder der Gedanke: Die dümmsten Bauern haben die buntesten Hosen!
Vor der Fahrt an die Ostseeküste - nach zweieinhalb Tagen Spiel & Spaß in Prenzlau – frühstückten wir noch einmal frugal und farbenfroh! Die zentrale Frage war: Werden wir in Graal-Müritz auch AZUL Kaffee bekommen?! Ich habe mich so an diesen exklusiven Kaffeegenuss gewöhnt!
"Wie wird sie wohl werden, die Rückkehr in Ostseeheilbäder?", fragt sich nachhaltig neugierig: Euer Schomberg.
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