Hölle, Hölle, Hölle!
There's always a devil behind the devil
Ich werde versuchen, minutiös zu schildern, wie ich einmal innerhalb von acht Minuten von der Hauptwache aus meinen Zug am Frankfurter Hauptbahnhof erreichen wollte, in eine Horde mutierter I-Dötzchen geriet und noch eine bizarre Begegnung mit einem alten Mann mit Schiebermütze hatte. Danach stiess ich mir den Kopf an der Badezimmertür und wurde Tage später für einen Organtransporteur gehalten. Diese Beschreibung enthält diesmal wirklich kein Mehdorn-Bashing und hat 100prozentig nix mit Wolle "Das Gehirn" Petry zu tun!
Die Hölle beginnt auf der Rolltreppe.
Gedankenverloren stapfe ich an der Hauptwache in eine Horde I-Dötzchen, denen versucht wird, lesen und schreiben beizubringen. Wie konnte das mir, dem Meister optimierter Laufwege an öffentlichen Plätzen, bloss widerfahren?! Ein Moment Unaufmerksamtkeit wird mit einem Pulk Sechs- bis Siebenjähriger bestraft und ich mitten drin im Auge des Orkans! Von „rechts stehen – links gehen“ kann hier keine Rede sein. Gefangen auf der Rolltreppe mit 30 Grundschülern, die sich - gemaess den Befehlen Ihrer Lehrerin – in Zweiergruppen bei den Händen packen. Auf einmal gibt es einen markerschütternden Alarmton, „Mööööp! Mööööp! Mööööp! Mööööp!“ – und die Rolltreppe hält an, nichts geht mehr! Unnötig zu erwähnen, dass dies der Anlass für die Kinder ist, in totale Panik zu verfallen und kollektiv auszuflippen. Verdammte Hacke, verdammte Jagdquart, ich muss meinen Zug erreichen! Was tun? Ich bahne mir den Weg - direkt aber kinderfreundlich mit sanftestem Druck - durch die Mitte und wünsche mir, ich hätte noch so einen imposanten Bauch wie früher, an dem man einen Kuhfänger wie in Wild-West-Eisenbahnen anbringen könnte. Noch zwei Minuten bis Laramy....
Vorhölle Bahnsteig
Abgehetzt erreiche ich den Bahnsteig, die aufgebaute Spannung verfliegt sofort – der Zug kommt zehn Minuten später rein. Murphies Law habe ich diesmal ausgetrickst, die Verspätung gereicht mir diesmal zum Vorteil. Aber das Erlebnis auf der Rolltreppe war nur ein Vorgeschmack auf den Horror, der sich dann entwickelt, ich nannte es in einer der vorherigen Kolumnen einmal „Gesprächsangebot für vereinsamte Rentner“ – dieses „Gesprächsangebot“ (Stichwort: "Kann dieser Landrover schwimmen!") nimmt ein Kappenmann - mit cremefarbener Windjacke, hellmintgrüner Popelinhose und Sandalen (hellbraun) - wahr.
Er mustert mich intensiv, in meiner AF-Jackenaussentasche (Barbour) steckt das Buch von Prinz Asfa-Wossen Asserate von Äthiopien „Manieren“, der Klappenumschlag ist lesbar, dort steht u.a. „Ist der Handkuss peinlich?“.
Totalkopfhölle
Kappenmann liest Klappenkram, fixiert mit irrem Blick den Satz, guckt mich wahnsinnig an und sagt:
"Und, wie ist es? Wie sieht man das heute denn: Ist der Handkuss peinlich?"
"Wie bitte?! Wie meinen? [Ich erkenne den auf meiner Aussentasche heftenden Blick] Ach, ach so! Nein, ich denke dem ist nicht so!"
[Sofort merke ich, den Wahnsinn und die Leere in den Augen kenne ich, dass ich meinen Stift zücken und diese Begegnung festhalten muss. Ich versuche betont uninteressiert auszusehen und eher beiläufig etwas zu notieren].
"Junger Mann, schreiben Sie nicht soviel! Wenn man jung ist, schreibt man zuviel!"
"Ich glaube nicht, dass Schreiben 'ne Frage des Alters ist!" [wobei das "junger Mann" ihn mir irgendwie sympathisch werden lässt! Warum gibt es nicht die Formulierung "Volles Haar, schreiben Sie nicht soviel" ?!]
"Tja, da haben Sie auch wieder Recht."
[Gesprächspause, andere Fahrgäste mustern UNS, denken gar, wir seien miteinander bekannt. Neuaufnahme des Gesprächsfadens durch Kappenmann]
"Frankfurt am Main. Hier fahren die Züge 'rein und dann wieder 'raus?!"
"Bitte? Ach so: Ja, Frankfurt-Hauptbahnhof ist ein Sackbahnhof!"
"Wie Giessen?"
"Och, nö, da fahren die einfach durch!"
"Wie Marburg, also?"
"Hmmh, nee, auch nicht wie Marburg, eher so wie.... [ich überlege angestrengt] Leipzig!"
"Ja, da haben sie Recht!" [Hmm, als ich das notiere überlege ich: Trug der Mann einen Brustbeutel mit Adressfeld? Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern!]
Ich will mir garnicht ausmalen, ich wäre beifahrend mit einem Landrover unterwegs gewesen, er hätte mich verwirrt und mit blutenden Ohren nach dem Aussaugen meines Gehirns liegengelassen! Ich fühle mich so wie nach dem "Genuss" des vermeintlichen "Kultfilms" Mistery Science Theatre 3000 - The Movie: Meines Gehirnes beraubt, alles an Geist ausgesaugt! Einfach so. Gehe weg, Schatten der Unterwelt! Vielleicht ist er wie Günther Netzer durch einen Roboter ersetzt worden und Kappenmann ist ein Gehilfe von Agent Smith?!
Die Hölle Kinoeerfolg:
"Daß die Welt nur eine schöne Lüge ist, ein platonisches Reich der Schatten, ein universaler Verblendungszusammenhang, in dem ein paar versprengte Rebellen auf der Idee des Realen beharren - der philosophische Charme dieser Idee war schon in 'Reloaded' zu den zähen Predigten von Morpheus geschrumpft." [Originalkritik] Leider war diese Passage als Eingangszitat zu lang. Leider, weil treffend!
Haupthölle Haushalt:
Komme also völlig abgespannt aus Frankfurt, und dann wird der Tag angemessen abgerundet, mit einer Wahnsinnsbeule und einem inhäusig erlittenen Schmiss auf Prim! Das war das Sahnehäubchen und ich hatte nun 'nen temporären Sparschweinschmiss, weil ich gegen die Badezimmertür knallte, die ich mit Schwung aufriss, kurz per Schulterblick in den Spiegel schaute und die Badezimmertür ganz hallervordenesk von einem Wäscheberg zurückfederte. Im Umdrehen entwickelte ich mit einem Schritt soviel Antritt, dass ich volle Suppe gegen die Kante der sich schliessenden Tür lief... Buster Schomberg, der Jüngere... doch durch den Himmel Heilhaut und unter Zuhilfenahme von Bepanthen konnte ich nach nur 5 Tagen den "Originalzustand" wiederherstellen. Dieser Wäscheberg hat einfach keine Manieren! Das Buch von Asfa-Wossen Asserate ist, wie es ein Leser in der Amazonrezension formulierte, "übrigens auch ein nahezu perfektes (Weihnachts-)geschenk: Man denke nur mal an das lange Gesicht des Beschenkten, wenn er den Titel des Buchs sieht. Spätestens nach ein, zwei Kapiteln sollte aber ein eventuell aufgekommener Gram dann doch in Dankbarkeit umschlagen... Wenn nicht, hat's der Beschenkte nicht gelesen." Ergo: Meisterschaft Manieren versus Haupthölle Haushalt!
Hirnhölle Marburg / Lahn:
Ich evakuiere Tage später zwei Kühlboxen vom Corpshaus, um mich auf einen geführten Tagesausflug nach Berlin vorzubereiten. Hinter mir, im "Panamakanal", eine ältere Dame, sie ruft: "Sind da Nieren für eine Transplantation drinne?" "Nein, das wäre wohl 'n bisschen langsam, dann wären die Leute ja schon tot, wenn ich zu Fuss dort ankomme!" "Ach, wenn Sie genügend Eis dabei haben, nun ja, Dinge sieht man in Marburg auf der Strasse, Kerle, Kerle, Kerle!" "Ja, Ihnen auch einen schönen Tag!"
Verängstigt gehe ich schneller, habe grosse Scheu. Ihre jugendlich gebliebene Neugier hat sie weit gebracht. Demnächst werde ich für solche Fälle immer eine "Vanilla Coke" dabei haben...
Euch eine erholsame + vor allem an Körper und Geist gesunde Woche, Euer Höllenwanderer Schomberg, z. Zt. Wachtberg-Pech.
BTW: Das können wir übrigens deutlich besser! Tsetse, immer diese Nachahmungstäter und Warhol-15min.-Langweiler ;-)) Für Morgen gilt wie immer mein bei SAD II geklauter Lieblingsfonduespruch: "Fleisch in's Fett - das schmeckt nett!"
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