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Geliebte D-Waffe (Netzfindling)



"Fundstücke im Netz - ich liebe Sie einfach!"


Piep... piep... piep... würg... pabstat!

 

Moinsen! Ich lebe ja auch von Anregungen der Leser, manchmal kann ich sogar einen Gastautor gewinnen, doch mit diesem Findling, den ich Euch nicht vorenthalten konnte, ist mir der große + völlig selbstlose Wurf gelungen! Ich habe dem Autor geschmeichelt, ihn umworben, ihm Bettel-eMails geschrieben, um diesen Text für "Schombergs Welt" zu bekommen. Der Verfasser (m/w) gab mir grünes Licht. Leider will der Autor anonym bleiben. Er will aus völlig falschen Gründen unerkaN.N.t bleiben, dabei sollte er sich zu dieser Großpetitesse bekennen, die mich an die "Stilseite" der FAZ (Fäzz), alle zwo Wochen mittwochs, erinnert.

 

Im mehrmaligen eMail-Ping-Pong einigten wir uns auf die Bezeichnung 'Kassiber aus der Kulturlosigkeit'. Ich zitiere aus der eMail: "Dies[e] sollte dann auch den fehlenden Autor bezeichnen. Aber ich denke, 'N.N.' ist auch i. O., also z. B. 'Im Blog von N. N. gefunden'. Allerdings ohne jeglichen weiteren Hinweis auf die Identität des Autors." Mein zweiter Vorname ist "Dienstleistung", des Urhebers Wille geschehe, hier also ein hervorragender Beitrag, "gefunden im Blog von N.N.". 

 

Und dann fand ich den ursprünglichen Titel doch authentischer, so dass ich ihn hier verwende:

 

Geliebte D-Waffe (Donnerstag, 05. Februar 2004):

Als Kulturpessimist musste man davon ausgehen, dass es wieder soweit kommen würde: Nippons militärisch-industrieller Komplex kündigt die zweite Welle, die Wiederkehr des Tamagotchi an.
Tamagotchi, zu Deutsch: "geliebtes Ei". Welch perfider Codename, aber Militärs neigten immer schon zu zynischen Verniedlichungen Ihrer Zerstörungsmaschinerie, man denke nur an Enola Gay, Daisy Cutter oder Marianne Rosenberg. Und seien wir ehrlich, der Name des Herstellers klingt doch schon irgendwie nach fernöstlichem Blitzkrieg, oder?

 

Sie erinnern sich also noch an die geliebten Eier? Diese possierlichen kleinen Mistkästchen mit Schießbuden-Digitalanzeige, die ständig irgendwelche als putzig zu empfindenden Laute von sich gaben? Ein gruseliges Schauern läuft einem über den Rücken, wenn man anhand von Berichten wie diesem die Phänomenologie und psycho-sozialen Ursachen der ersten Tamagotchi-Angriffswelle vor dem geistigen Auge auferstehen lässt. "Pieps, pieps, gotchi, gotchi". Nicht nur Kinder, auch vermeintlich erwachsene Menschen, die mit kleinen piepsenden Plastikeiern sprechen, die viel zu kleinen Knöpfe liebkosend penetrieren und dann, wenn diese digitale Belästigung endlich und nicht zuletzt durch das ständige Befingern den Weg allen irdischen Seins gegangen ist, auch noch der Ansicht sind, echte Gefühle für das Dahinscheiden der auf Plastik projizierten Kreatur haben zu müssen.

 

W-i-d-e-r-l-i-c-h, nicht nochmal, schießt es auch Ihnen durch den Kopf? Warum sind solche D-Waffen noch nicht völkerrechtlich geächtet? Sie denken über Bewaffnung mit Schlagwerkzeugen nach? Hammer oder Totschläger wären zur schnellen physischen Überwindung des Einzelfalls durchaus geeignet. Oder sie fragen sich, ob es Magnet-Schocker gibt, also so eine Art Elektro-Schocker, der statt Stromschlägen wohldosierte elektromagnetische Impulse absondert, die per Knopfdruck und lautlos die empfindlichen Eingeweide unserer kleinen Freunde verdampfen lassen könnten: Klick -- "Du, ich glaube, mit Deinem Tamagotchi ist irgendwas"?

Aber Moment, heben sie sich ihre Gewaltphantasien für das nächste Finanzamtsschreiben auf. Fragen sie sich lieber Folgendes: Wenn das letzte Tamagotchi der ersten Angriffswelle im Jahre 1998 produziert wurde, warum kommt einem dann das zugehörige pathologische Verhalten betroffener Menschen so vertraut und gegenwärtig vor? Genau. Kleine, piepende, pfeifende, vibrierende Kästchen mit Miniaturtasten und Digitaldisplays, die stets befingert und sogar besprochen werden wollen? Na, klingelts? Richtig, Handys (oder zumindest konsequent lächerlich: Zeller, wie der Anglo-Amerikaner sagen würde, wenn er denn Deutsch könnte, das passende Wort Mobiltelefon nicht wüsste und den Zwang zum Anglizismus noch nicht verinnerlicht hätte)! Puuh, tief durchatmen, Entwarnung. Selbst wenn die unergründliche, ostasiatische Weisheit unserer mandeläugigen Freunde deren Marketingabteilungen auf eine Ankündigung dieses erneuten Schlages hätte verzichten lassen, selbst wenn also die ersten Tamagotchi-gefüllten Frachtkontainer den Hamburger Freihafen wie weiland die glorreiche japanische Luftwaffe Pearl Harbor treffen würden, ja selbst dann bestünde keine Gefahr, denn es gibt keinen bedeutenden Markt mehr für dümmliche Pieps-Eier.

 

Zumindest inoffziell herrscht inzwischen für alle Bewohner Deutschlands zwischen fünf und fünfundneunzig Jahren Mobiltelefonbesitzpflicht. Ausnahmen werden nicht geduldet, Verweigerer sind nicht bekannt. In den bedeutsamsten Kundengruppen dieser Republik besteht mithin keine Nachfrage mehr. Im Übrigen sind moderne GSM-Telefone auch der zweiten Generation von Tamagotchies weit überlegen. Denn die stete Beschäftigung mit diesen Geräten ist nicht nur dümmlich (und verdummend), sondern kostet auch noch jede Menge Geld und frisst garantiert mehr Zeit, als ein Plastikei zu Tode zu pflegen. Und effizienter sind sie auch noch, denn schließlich sind es fast immer zwei Teilnehmer, die von typischen Handy-Vorfällen betroffen sind. Und gerade eine hohe Handy-Rechnung ist wichtig, denn nur so lässt sich das Buße- und Ablassbedürfnis der gottlosen Generationen instrumentalisieren. Das wird durch das bisschen Totenkult, den Tamagotchis zu bieten haben, nicht aufgewogen.


Und wenn man die jedermann im öffentlichen Raum aufgezwängten Gesprächsinhalte der zeitgenössischen Mobiltelefonie (das GSM-Telefon ersetzt nicht nur nach und nach die Funktion des öffentlichen Fernsprechers, sondern gibt dem Ausdruck einen neuen interessanten Wortsinn) auch nur im Ansatz für repräsentativ hält, dann dürfte das zu Tode befummeln der geliebten Eier einen höheren Kommunikationswert haben als das Äquivalent an Handy-Telefonaten. Und weniger Sinn macht hier deutlich überlegen.

 

Aber vielleicht ist es auch nur eine vermeintliche Sicherheit, die uns der Handy-Konsum vorgaukelt. Unvorstellbar, geradezu ungeheuerlich, wäre die Kombination beider Waffen, also die Kreuzung von Handy und Tamagotchi. Eine Gewaltphantasie, um die uns selbst das fiktive Nachgeborene von Hannibal Lector und Mary Shelly beneiden würde.

von n.n. eingestellt um 10:46

 

Warum soll man das Kolumnenrad neu erfinden, wenn man erlaubten Zugriff auf solche Weltwerke hat?! Gruss, Euer Schomberg (Antitamagotchist der Frühphase) 

 

P.S: Bei dem Autor handelt es sich nicht um Martin Mosebach oder Prinz Asfa-Wossen Asserate von ÄthiopienNachtrag Big Brother 5: Empieza la lucha!