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.... auf Schienen (II)e|ner|vie|ren <[-vi:-] V.> 1 entnerven, entkräften, die Nerven erschöpfen 2 Nerven operativ entfernen aus [<frz. <I>énerver „nervös machen, aufregen, entnerven, entkräften” //// Jetzt: Fortsetzung - Beginn: Hier ////
Das den Ausführungen voranzustellende kann nur dieser Kurzdialog sein: "Ich habe Corpsbruder Becker III im Zug getroffen!" "Den triffst Du immer im Zug, der hat 'ne Bahncard 100!" (Bahncard 100 :anbeten:). Bahnfahren kann auch ohne Verspätungen die Hölle sein, denn die Sozialraupe hat einen unangenemen Beigeschmack: -fahrer! In den letzten Wochen war ich mit Mehdohrns Mannen viel in diesem unserem Lande unterwegs - mit zahlreichen Kurzstippvisiten auf der Domplatte - und hatte Zeit und Musse, nach dem Fahrplanwechsel, die teilweise grotesken Erlebnisse dort zu notieren. Und irgendwie will und muss ich meine Kolumne füllen, was lag da näher als ".... auf Schienen (II)"?
Und immer hiess es Rheinland - Hessen. In Koblenz erreiche ich, nach einem Wochenendpicknick an der Bonner Rheinpromenade, mit Hängen und Würgen den Zug nach Giessen. Zwei Anfang Zwanzigerinnen brüten über dem STERN – Uni Special. Giggeln, lachen, vergleichen Hochschulen, lernen die Unirankings scheinbar auswendig. Schlussendlich: Stellen sich das Kommende als grosse Party vor. Glauben, dass Leben könne gelingen. Irgendwie enervierend. Aber nicht so schlimm wie das, was ab Köln-Deutz eine Woche später passierte: Gesprächsfetzen vom Vierersitz diagonal hinter mir: "Ich finde es besser, wenn man über Religion und nicht nur über’s Kiffen spricht!". Ein Satz wie ein Magenschwinger.
40-minütige Rückblende: Ich habe einen neuen Provinzbahnhof in meiner Sammlung, nach den bisherigen Höhepunkten (Torgau, Ravensburg), um den auch Wladimir Kaminer mich beneiden würde: Grevenbroich! Am Bahnhof, sonntagmittags: Die Dorfjugend lungert auf dem Vorplatz rum und trinkt Dosenbier und Alcopops. Und sie lässt sich mt der Skulptur eines alten Mannes mit Hut photographieren. Ich mittemang. Meine Alternativen sind: 38 Minuten Aufenthalt in Troisdorf oder 50 Minuten in Köln. Troisdorf erscheint mir da wie der Inbegriff der Vorhölle! Dann lieber ein Domplattenspaziergang und etwas Aprilsonne tanken im Schatten des Bauwerks. Dort läuft Götz Alsmann mit Tolle und Metalltrolley an mir vorbei – die Scham verbietet es mir, meine Mobiltelefonkamera nipponesk zu zücken und Götz (Es herrscht Duzcomment unter Tollenträgern!) einem Paparazzi gleich, "abzuschiessen". Er hat einen guten Schritt drauf und kann in der Millionenstadt durchaus mithalten. Nicht schlecht für 'nen gebürtigen Münsteraner ;-) Götz hat vorne mehr Haare als ich – dafür habe ich hinten – trotz meines Wirbels – deutlich mehr.
Zurück zum Viererensemble: Woher kam das Gespräch über Religion und das Kiffen?! Aha – Locutus von Schomberg hat den Humanoiden identifiziert und will ihn keineswegs assimilieren: Ein Endvierziger, bruchvoll, mit seinem Trinkerkumpel, die einen Wochenendzug durch die rheinische Gemeinde gemacht haben. Auf einmal fängt er an zu singen, so unerwartet wie laut, wie Toni Schumacher früher seine Befehle durch den Stramraum pöpelte, so round about 200 Phon: „Studente'blut muss fliessen, in Marburg und in Giessen!“ Man bin ich froh, dass ich zum 31.03.2004 mein RMV-Studium der Volkswirtschaftslehre aufgegeben habe – hätte sonst echt brenzlich für mich werden können! Dann zückt er den "Roten Kalender gegen den grauen Alltag" und mit zackig-unkoordinierten Schreibbewegungen notiert er irgend etwas. Dann erzählt er über die "gute, alte Zeit" vor 1989. Womit habe ich es verdient, den Anekdoten zweier Ex(?)-DKPler aus Herborn, vorgetragen im besoffenen Singsang, lauschen zu müssen? Und warum bin ich so und damit zu phlegmatisch, mich auf einen anderen Platz zu setzen, was die logische Konsequenz wäre????
Schnitt, Trailer, Freitag, Giessen, Ende der Bahnfahrtwoche: Der Zug ist proppenvoll, Freitagmittag, die ganzen Heimschläferstudenten (m/w) sind auf dem Weg zu Mutti. Ich nehme es amüsiert zur Kenntnis, eine bodenständige Mittelhessin kommentiert es lautstark mit eher rustikalen Worten: "Ei, was wolle' die ganze' Studente' hier im Zug - was mache' die hier? Die solle' studiere'!" Auch mit launig-bodenständigen Worten kann man Eliten(bildung) einfordern! Und man kommt am Präsidenten von 1860 München, Karl Auer, nicht vorbei: Man soll das Leben in vollen Zügen geniessen...
Was einen - selbst wenn man ein zurückhaltener Mitreisender ist - auf die Palme bringt, dass sind helblau gebatikte Stoffbeutel von "ganzheitlichen" Reisenden, die den Reiseproviant der Adenauerära, hartgekochte Eier, mümmeln. Olfaktorisch durchaus eine Zumutung! Es ist nicht nur die ungeheure geruchliche Belastung, die einen dem Nasentode zuführt; nein, es ist auch die ästhetische Dont-Go-Area, die Regionalzüge per se - auch ohne Fussballzusammenhänge - darstellen. Dieser gehirnabziehende Metallwurm. Einen Fahrer müsste man haben. Dann könnte man Bequemlichkeit, Fahrtbier und Schnelligkeit verbinden. Ob ich Herschell mal fragen soll, ob er auf 400-Euro-Basis agieren will? In ".... auf Schienen (III)" werde ich Euch über zwei nervensägende Naturwissenschaftlerinnen berichten, die mir diesen Tag versaut haben, in dem sie sich anderthalb Stunden mit durchdringend hohen Stimmen über ihr Studium unterhielten, Ihre Kommilitonen und Ihren Labortisch, Naturwissenschaftlernervensägen mit Scheuklappen, die meinen Geist lähmten & einlullten. Nach dieser Grenzerfahrung schaue ich dann lieber freiwillig Durchhaltesendungen für Dauerarbeitslose á la Monitor, 24 Stunden lang... oder lasse mich regelmäßig bei Ebay-Versteigerungen von A-Team-Pausenbrotdosen überbieten! Ich verabschiede mich von einer typischen "Zwischenkolumne" und entbiete...
herzliche Grüsse aus Hassorhenania, Eure Reisegruppe Schomberg (Neffe von Fly Schwurst und Craig Auer)
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