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.... auf Schienen (I)Fortschrittsglaube, Technikbegeisterung
EISENBAHN Von dieser Erfindung schwärmen und sagen: "Also, mein Lieber, ich sage ihnen, heute morgen bin ich mit dem Zug nach X gefahren, dort habe ich meine Geschäfte erledigt usw., und um X Uhr war ich schon wieder zu Hause!"
Das Arbeitsjahr 2004 begann am 05. Januar 2004 mit einem Oberleitungsschaden zwischen Friedberg und Frankfurt am Main, was neben einer 40minütigen Verspätung durch die Umleitung über Hanau (was wollen die Chinesen mit Frau Härtel?) durch die Querung Offenbachs versüsst wurde. Auf der Rückfahrt bekamen wir immerhin noch 'ne halbe Stunde Verspätung zusammen - durch einen unorthodoxen Halt in Ostheim bei Butzbach. Schön! Ich dachte schon, es könne sich etwas grundlegend geändert haben. Doch, es hat sich etwas geändert, eine kleine, samtene Revolution. 70 Minuten Verspätung am ersten Nutzungstag kann was. Leider hatten wir keinen Unterhaltunslokführer wie einst, der durchaus selbstironisch eine Verspätung mit den Worten "Ich bin froh, daß jeder die Fassung bewahrt hat und mir niemand an’s Leben wollte." abmoderierte. Da hat er wohl Glück gehabt - nicht alle reagieren so lässig! Darauf lässt sich wahrlich aufbauen... doch etwas ist anders:
Sie hat stattgefunden. Die Revolution. Ich habe Gewissheit. Nach dem von mir als "Zwischenfall" interpretierten Halt in Ffm-West, wurde heuer wieder dort gehalten. Die Deutsche Bahn ist experimentierfreudig und lässt den 7.35er jetzt immer dort halten. Das schreit nach Tiefenrecherche! Soviel Innovationskraft hätte ich Mehdohrns Mannen kaum zugetraut. Das Gegengift zur "Fahrgaststrommesunng". Ich bin entzückt.
Lese Tage später amorphe Berlinliteratur der Nuller Jahre, dann schreckt mich einen geheimnisvolle Durchsage aus dem Leseschlaf: "Hier noch eine interne Durchsage: TP0 deaktiv! Ich wiederhole: TP0 deaktiv!" Tepehnull-deaktiv. Soso. Dringend mal einen Bahnmitarbeiter investigativ anhauen, was diese Worte zu bedeuten haben!
Man kann hervorragende Sozialstudien an den Bahnsteigen und in diesen Zügen betreiben. Nicht nur, das man zu einer hamburgesken "closed socierty" gehört, den Pendlern, die jedes neue Mitglied argwöhnig in Marburg beäugen, wenn man sich von dem Zunicken zum "Guten Morgen" bis zu kleinen Gedankenaustauschen hochgearbeitet hat - etwas, was bis zu drei Monaten in Anspruch nehmen kann, dann jedoch gehört man dazu. Auch nicht der Umstand, dass der völlig versiffte Marburger Bahnhof, ausgerechnet seit Aschermittwoch (--> alles vorbei!), ein rauchfreier Bahnhof ist. Und man "Wanderrauchbereiche" aufstellte, die wohl im Bahnhofsgebäude "Bürger ohne Reiseabsicht" (BoR) anzogen - nach zwei Wochen waren alle inhäusigen Aschenbecher nach draussen verlagert. Da gibt man alles am Filter für die Innere Sicherheit und wird wie Dreck behandelt. Was kommt als nächstes? Ein totales EU-weites Rauchverbot? Und wer bezahlt dann Ullala Schmidts Pläne und die Auslandseinsätze der Bundeswehr? Und doch hebe ich mahnend den Finger: Es gibt einige Desperados unter den Pendlern, die einfach weiter "wild" rauchen und sich nur durch geharnischte Lautsprecherdurchsagen von ihrem illegalen Tun abhalten lassen. Ich schweife mal wieder ab.
Immer wenn ich im Zuch sitze, träume ich von der perfekten Tageszeitung: Sie bestünde aus dem/der...
| Politikteil der WELT
| | Feuilleton der FAZ
| | Streiflicht der SZ
| | Literaturteil der WELT (Samstags)
| | "Leben" aus der ZEIT
| | Gesellschaft aus der FAS (Sonntags)
| | "Karriere und Management" (Handelsblatt)
| | Sportteil FAZ
| | BMG-Berichterstattung Rheinische Post
| | Und natürlich der "Seite 2" oder auch dem "Politikteil" der BILD. |
Zurück zum 7.35er Regionalexpress: Da gibt es die Sympathieträgerin mit dem schütteren Haar, Corpsbruder Härtel durfte sie mittlerweile auch kennen- und liebenlernen, die immer in Friedberg (Hessen) zusteigt und die eine Freundlichkeit besitzt, wie sie "Ivan dem Schrecklichen" zur Ehre gereicht hätte. Sie tritt prinzipiell gegen im Gang stehende Koffer, rempelt alles an, was nicht bei drei die Armlehnen freigibt und das freundlichste Wort ist "Ist der Platz frei" (unwirsch und mit hessischem Singsang vorgetragen) um dann sofort die BILD oder "Goldenes Blatt" zu zücken und sich der gut viertelstündigen Lektüre hinzugeben. Ein mit Lächeln vorgetragenes "Man, Sie sind heute aber wieder gut drauf" ignorierte sie bis dato hartnäckig!
Ein ebenfalls grosses Ereignis durfte ich bezeugen, als ich von Wiesbaden nach Frankfurt fuhr. Ein Mitreisender liest "Hörzu", die m. E. unterschätzteste Kulturschrift der Welt. Er blickt auf einmal versonnen hoch, mustert den ihm Gegenübersitzenden und murmelt: "Sie hat die Wiedervereinigung erst möglich gemacht. Die Hörzu und Dr. Kohl. Nicht die BILD". Gesagt und sich wieder hurtig der Wissenschaftsecke gewidmet... Mit Gänsehaut zücke ich meine Chinakladde und bewahre die Aussage für die Nachwelt auf. Daneben zwei Menschen, die BoR zumindest olfaktorisch durchaus nahekamen: „Der Zug fährt rückwärts!“, „Nee – der Zug fährt vorwärts!“ „Jaja – wir sitzen rückwärts. Und Du merkst das nur nicht, weil Du eben Bier getrunken hast!“ Erwähnte ich schon, dass es circa 14.00 Uhr war?
Falls einer der Leser weiss, was die kryptische Botschaft "TP0 deaktiv!" zu bedeuten hat, bitte ich um Zusendung dieses Wissens per eMail! Ich muss doch nicht immer alles selber herausfinden, oder?!
Die "I" zeigt es Euch an - diese Reihe wird fortgesetzt. Eine schöne Woche, Euer Schomberg (Pendler der Kategorie S.)
Nachtrag: Millwall FC steht im Finale des F.A.-Cups gegen ManU. Dies ist der grösste Erfolg in der 125-jährigen Geschichte des "kleinen, umstrittenen und skurrilen Vereins aus dem Osten Londons".
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