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Oh Straßburg, oh Straßburg, Du wunderschöne Stadt!!!!
[Reisebericht vom 04. - 06. Juni 1999]
Liebe Corpsbrüder und Assoziierte, aus vielerlei Gründen, mußte ich a) wie in der letzten Kolumne angekündig ernst machen und diesen Straßburgartikel "revitalisieren" und b) Zeit gewinnen für meine Kolumne 20... entgegen der dreisten Behauptungen von Härbert Rotel, wurden meine Absonderungen noch nie unter dem Einfluß von bewußtseinserweiternden Mittelchen geschrieben... here we go...
Sesenheimer Liederbuch, 1771: "O Straßburg, o Straßburg, Du wunderschöne Stadt! " Weihnachtskneipe 1993: Der Fuchsmajor sammelt für eine Fahrt nach Straßburg. Weihnachtskneipe 1994: Der Fuchsmajor sammelt für eine Fahrt nach Straßburg Weihnachtskneipe 1995: Der Fuchsmajor sammelt für eine Fahrt nach Straßburg Weihnachtskneipe 1996: Der Fuchsmajor sammelt für eine Fahrt nach Straßburg Weihnachtskneipe 1997: Der Fuchsmajor sammelt für eine Fahrt nach Straßburg Weihnachtskneipe 1998: Mal etwas wirklich ganz anderes, der Fuchsmajor sammelt für eine Fahrt nach Straßburg.
Am 4. Juni 1999 war es dann, nach einem Jahrfünft angekündigter Fahrten, die sich aus vielerlei Gründen verschoben, soweit: Die Corpsbrüder Ewering, Knöll V, Traub, Knöll VI, Hornung, Bechmann und meine Wenigkeit, der eigentlich für diese Art reisen zu alt ist, machten uns auf den Weg in die alte Heimat, die finanzielle Ausstattung für die Reisegruppe Suevia war aus oben genannten Gründen hocherfreulich!
Erwartungshaltung Unterfertigter:
Sie gingen stakstend und hörten Worte bei der Kranzniederlegung deutscher Hochschulen und Ministerialdirektoren des Hilfsbundes der vertriebenen Elsaß-Lothringer im Reich. Straßburg, unser Stolz und unser Kleinod, und die Sonne von Altdeutsch-Land, der Namen bedeutungsvoller als alle Jünger-Helden und den Vertreter, die eine Heimat gefunden haben."Was bleibt, sind die Erinnerungen, die die Menschen zwischen sich und dem nahen Tod auftürmen wie Möbel vor einer Tür, durch die jemand eindringen will" "Was bleibt, ist das Geschriebene."
"Außerhalb des Geschriebenen ist der Tod."
Joviale Aufwallung gegenüber dem Vaterland, dies notwendig, denn: Die einst so heimeligen Straßen sind makabre Trampelpfade, Dornenwege ins Ungewisse. Rechts im Bild der Wasserturm; von Leben nichts zu erkennen. Ein Riesenschuttberg menschlicher Vergänglichkeit und ausgerotteter Lebenskultur in Cisrhenania. Eine auf den ersten Blick tote, verlorene Welt, eine der sagenhaften Vergangenheit überantwortete Weltstadt; jeder Wiederaufbaugedanken ist vermessen. Ein Chaos, dem ewigen Untergang gleich. Die einstige neubarrocke Schwulstigkeit ist glasklarer Zweckmäßigkeitund Wohnsilos an der Peripherie in unnatürlicher Harmonie gewichen. Dies die Erwartungen an die alte Heimat in écriture semiautomatique verbrämt, doch vor dem Schwärmen hatten die Götter die Realität gesetzt.
Der uns Aktiven und einigen Alten Herren gut bekannte und beliebte Dr. Wolgang "Hase" Beisheim, Normannia Berlin und Vandalia Graz war einige Tage vorher verstorben und dank eines Anrufes unseres AH Kurrek, der uns den Termin der Totenfeier mitteilte, fuhren wir über Würzburg nach Straßburg, um Herrn Dr. Beisheim die letzte Ehre zu erweisen. Nach der kurzen Andacht kehrten wir mit den Trauergästen ins Sternbäck ein und gedachten des Toten; da wir nicht allzu aufdringlich sein wollten, verabschiedeten wir uns nach angemessener Zeit. Die ebenfalls anwesenden Corpsbrüder Schoof II und Kurrek, ließen es sich nicht nehmen, uns noch einige Taler und Ratschläge mit auf den Weg nach Straßburg zu geben, wir wurden von unserem Kartell mit Proviant ausgestattet (obwohl der Consenior ominöse "drei Bierlängen" vorgeben wollten, nahmen die beifahrenden Corpsbrüder nur zwei Biere ein, während Ewering sich an einem Rothert-Bräu gütlich tat) und wir waren wieder auf der Autobahn. Gedankenblitze an die Heimat des Europarats, während unserer Stippvisite nach Straßburg wurde Georgien als 42. Mitglied aufgenommen, wie ernüchternd wird die Rückkehr nach Straßburg sein...?! Und eine Irreführung und Einverständnis ist es in der Tat, wenn die Gehalte dadurch definiert werden sollen, sie seien transmodern und wichtig. Straßburg - nach Paris die wichtigste Bankenmetropole Frankreichs - wollte die Postmoderne einfach transmodern sein, eine Zote wäre sie, darin ja gerade das Innovationsschema des Modernismus es fortwarf und war damit schlicht modern. Das hat niemand außer Corpsbruder Sack in seinem Exkurs über die Moderne so eindrucksvoll dargelegt. Ginge es um eine Verwerfung und Überwindung der Moderne, so endet man geändert. Nur hievte die Tradition, von der man sich lossagt, niemand auf's Podest oder vor dem Ofen hervor. Die Postmoderne macht jedoch gerade Urlaub vom Dissens - und Anti-Pathos des Modernismus nicht mehr mit.
Freitagabend bezogen wir unser interessantes Hotel, für dessen Auswahl Ewering, xx ai verantwortlich zeichnete, und das durch schnörkelose Zweckmäßigkeit bestach - ein Drecksloch also. Doch sind wir Schwaben schlimmeres gewohnt und die Rate von umgerechnet DM 420,-- für Frühstück und Übernachtung für zwei Tage und sieben Personen (!) bewieß nur, daß der Consenior nicht umsonst BWL studiert. Wir erkundeten noch die Umgebung und verlebten einen schönen Abend, einigermaßen gezeichnet von den Anstrengungen und deshalb schwabenatypisch früh im Bett. Samstagmorgen Anfang Juni 1999: Nachbarn, Anwohner reiben sich die Augen, als der Mercedes Sprinter in die Rue Daniel-Hirtz einbiegt und vor der Nummer 13 hält: Junge Menschen mit glänzenden Augen springen aus dem noch rollenden Fahrzeug - Freude pur - und berühren ein Haus, daß den Garten pflegende Anwohner für ein schönes, doch nicht bedeutungsschwangeres Wohnhaus halten. Es ist bemerkenswert, wieviele Filme man innerhalb von wenigen Minuten verschießen kann. Der Verlust verbietet es mir, weiter über das zu schreiben, was ich empfand und es war bei aller deutsch-französischen Freundschaft nicht nur Freude und ein Anflug von Wehmut. Als guter Europäer beugte ich mich der Geschichte. Ich hoffe, wir haben die Anwohner nicht allzu sehr verschreckt!
Ein junger Corpsbruder, nennen wir ihn zu Wahrung der Anonymität "Ibo" verstieg sich noch zu der erschütternden Aussage, als wir überlegten, bei den Anwohnern zu klingeln und zu fragen, ob wir den Balkon betreten dürfen: "Ich setz' mich doch nicht zu den Kriegsverbrechern auf den Balkon". Nach dieser erschreckenden Polemik absolvierten wir ein lukullisches und auch kulturelles Programm, daß in seiner Qualität eigentlich für zehn Corpsbesuche reichen würde.
Corpsbruder Knöll VI schlug vor dem Europaratsgebäude vor, die Flagge Zyperns zu stehlen: "Komm', die müssen die dann auspauken! Dann kommt der Botschafter im schwarzen Anzug und pumpt Ganze mit Sen!!!!" Der Chronist wurde sich seines biblischen Alters und seiner Seriösität immer bewußter...
Auffällig an Straßburg die vielen Wohnsilos am Stadtrand mit der maghrebinischen Bevölkerung. Was in Deutschland die Rosenverkäufer sind, sind hier die Schwarzafrikaner, die Gürtel verkaufen ("Du Deutsch?! 10 Jahre Garantie auf Gürtel".) Corpsbruder Hornung konnte sich für dieses Angebot dann doch nicht erwärmen. Auf zum Münster: Lassen wir im Goethejahr den Meister unsere Empfindungen ausdrücken:
"Als ich das erstemal nach dem Münster ging, hatt' ich den Kopf voll allgemeiner Erkenntnis guten Geschmacks. Auf Hörensagen ehrt' ich die Harmonie der Massen, die Reinheit der Formen, war ein abgesagter Feind der verworrnen Willkürlichkeiten gotischer Verzierungen. Unter der Rubrik Gotisch, gleich dem Artikel eines Wörterbuchs, häufte ich alle synonymische Mißverständnisse, die mir von Unbestimmtem, Ungeordnetem, Unnatürlichem, Zusammengestoppeltem, Aufgeflicktem, Überladenem jemals durch den Kopf gezogen waren. Und so graute mir's im Gehen vorm Anblick eines mißgeformten krausborstigen Ungeheuers.
Mit welcher unerwarteten Empfindung überraschte mich der Anblick, als ich davor trat! Ein ganzer, großer Eindruck füllte meine Seele, den, weil er aus tausend harmonierenden Einzelheiten bestand, ich wohl schmecken und genießen, keineswegs aber erkennen und erklären konnte. Sie sagen, daß es also mit den Freuden des Himmels sei, und wie oft bin ich zurückgekehrt, diese himmlisch-irdische Freude zu genießen. den Riesengeist unsrer älteren Brüder in ihren Werken zu umfassen. Wie oft bin ich zurückgekehrt, von allen Seiten, aus allen Entfernungen, in jedem Lichte des Tags zu schauen seine Würde und Herrlichkeit! Schwer ist's dem Menschengeist, wenn seines Bruders Werk so hoch eh haben ist, daß er nur beugen und anbeten muß. Wie oft hat die Abenddämmerung mein durch forschendes Schauen ermattetes Aug' mit freundlicher Ruhe geletzt, wenn durch sie die unzähligen Teile zu ganzen Massen schmolzen, und nun diese, einfach und groß, vor meiner Seele standen und meine Kraft sich wonnevoll entfaltete, zugleich zu genießen und zu erkennen! Da offenbarte sich mir, in leisen Ahndungen, der Genius des großen Werkmeisters: Was staunst du? lispelt' er mir entgegen. Alle diese Massen waren notwendig, und siehst du sie nicht an allen älteren Kirchen meiner Stadt? Nur ihre willkürliche Größe hab' ich zum stimmenden Verhältnis erhoben. Wie über dem Haupteingang, der zwei kleinere zur Seiten beherrscht, sich der weite Kreis des Fensters öffnet, der dem Schiffe der Kirche antwortet und sonst nur Tageloch war, wie hoch drüber der Glockenplatz die kleineren Fenster forderte! das all war notwendig, und ich bildete es schön. Aber ach, wenn ich durch die düstern, erhabnen Öffnungen hier zur Seite schwebe, die leer und vergebens da zu stehn scheinen. In ihre kühne schlanke Gestalt hab' ich die geheimnisvollen Kräfte verborgen, die jene beiden Türme hoch in die Luft heben sollten, deren, ach, nur einer traurig da steht, ohne den fünfgetürmten Hauptschmuck, den ich ihm bestimmte, daß ihm und seinem königlichen Bruder die Provinzen umher huldigten. Und so schied er von mir, und ich versank in teilnehmende' Traurigkeit. Bis die Vögel des Morgens, die in seinen tausend Öffnungen wohnen, der Sonne entgegenjauchzten und mich aus dem Schlummer weckten. Wie frisch leuchtet' er im Morgenduftglanz mir entgegen, wie froh konnt' ich ihm meine Arme entgegenstrecken, schauen die großen harmonischen Massen, zu unzählig kleinen Teilen belebt, wie in Werken der ewigen Natur, bis aufs geringste Zäserchen, alles Gestalt, und alles zweckend zum Ganzen; wie das festgegründete, ungeheure Gebäude sich leicht in die Luft hebt, wie durchbrochen alles und doch für die Ewigkeit. Deinem Unterricht dank' ich's, Genius, daß mir's nicht mehr schwindelt an deinen Tiefen, daß in meine Seele ein Tropfen sich senkt der Wonnen des Geistes, der auf solch eine Schöpfung herabschauen und gottgleich sprechend kann: Es ist gut!" (Goethe beim Anblick des Straßburger Münsters) | | | Ich kann und darf doch nicht mit allen mühsam erschriebenen Traditionen brechen... das Wort der Woche ist diesmal... Kompromißmatrix .... zugerufen von einem Mitpendler, der Soziologie studiert hat. Daran kam ich einfach nicht vorbei. |
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In die gleiche Kerbe schlug Hornung mit seiner subtilen Aussage: "Das schönste an Straßburg war bis jetzt mein Spiegelbild. Und das Münster vielleicht." Cool-Tour.
Die guten Tips von AH Boppert und unserem MC Rohrer Restaurants und sonstige Lokalitäten betreffend, konsequent mißachtend, erkundeten wir Straßburg auf eigene Faust. EU-Europa atmete aus allen Poren, niemand geringerer als der Fuchsmajor Traub brachte es während eines Stärkungsaufenthaltes in einer "Winstub" auf den Nenner: "Deutsche Waffenstudenten sitzen in einer elsäßer Kneipe, trinken französisches Bier und hören schlechte italienische Musik".
Nach den abendlichen Schoppen - genauer gesagt einer stattlichen Anzahl Pitcher - die wir uns ob unseres Engagements verdient hatten, beendeten wir den Abend im Salamandre. Es wurde zu 80iger Jahre Musik getanzt - von der Atmosphäre beseelt zeigten auch die Nichttänzer, wie die Mixtur aus elsäßisser Lebensfreude und 1664er wunderbare Wechselwirkungen in sich birgt. Unterfertigtem gefielen - neben den leiblichen Genüßen - insbesondere die großartigen Gallerien mit zeitgenössischer Kunst und die Schauräume der Innenarchitekten. Auch die moderne Straßburger Straßenbahn war mehrere Photos wert und im Nahverkehr bestachen die Linienbusse dadurch, daß die Fahrgäste Musik hören konnten - im Linienbus 21 lief "Cher". Es sind die kleinen Dinge, die das Leben jenseits und diesseits des Rheins ausmachen. Unser sonntägliches Abschiedsessen (natürlich Flammküchle) nahmen wir im "Dieterle" ein, deren Speisekarte mehr durch die dort abgebildeten und -gestiegenen Prominente brillierte, denn durch Inhalte....
Wir fuhren noch ca. drei Stunden durch elsäßische Dörfer in der Umgebung Straßburgs, um einen längeren Aufethalt und Spaziergang in Hagenau zu absolvieren. Zum krönenden Abschluß dieses bemerkenswerten Wochenendes, nutzten wir schon Sonntagmorgens den kleinen Grenzübertritt nach Kehl, um AH Knöll III und Familie die frohe Botschaft zu übermitteln, daß sieben Schwaben gedächten, sie nachmittags heim- und zu besuchen; dieses Vorhaben wurde nach Verlassen Hagenaus umgesetzt und so verbrachten wir zweieinhalb schöne Stunden bei einem kleinen Fäßchen Bier und konnten die Couleurecke von AH Knöll III bewundern. Resumeé: Als akademisches Corps vermitteln wir Lerninhalte. Auch Fuchs Knöll VI lernte bei diesem Besuch. Ohne Französichkenntnisse ausgestattet, verfügte er nach den drei Tagen über ein profundes Vokabular ("Merci beaucoup sil vous plait"). Dennoch wunderte er sich, daß er bei der Bestellung "moi aussi" in nicht festgelegter Reihenfolge Wein, Pastis, Tarte flambeé oder Pfeffersteak bekam. Doch als Waffenstudent (Knöllsches Hochfranzösisch: "L`Etudiant aggressiv", Stichwortgeber Hornung!) werden wir ihm irgendwann auch dies einmal erklären...
Ein Corpsbruder nach Erstlektüre des Artikels: "Vielleicht solltest Du Deinen Straßburg-Artikel nicht postalkoholisch verfassen". Er hat nicht unrecht - doch wie mit der Eindrücke umgehen, sah ich Straßburg zum ersten mal nicht mit politischen Bildungsträgern sondern nur durch die Schwabenbrille. Wie lang wohl Neven Du Mont und Krazer früher für den Heimweg brauchten... Heiko Schomberg (nach Diktat und Übermittlung der eMail verreist) -Abdruck aus dem Schwabenblatt Nr. 242/243/244 mit freundlicher Genehmigung von Heiko Schomberg.-
Nächste Woche geht es wieder gewohnt weiter im Text! U.a. mit einer Betrachtung unserer Geisel Gunther Paul Dippold und einer herzergreifenden Abhandlung über biergetränkte Stoff-Papageien.
Vielleicht....
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