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Im Reich des Schmerzes: Ein Samstag im IKEA! (I)
Achtung: Im Internet bestehen einige Datenübertragungen aus mehreren Paketen.
Da hat man nur ein bisschen umgeräumt, möchte vom Ambiente des vollgepfropften & organisch entstandenen Wohnzimmer-Antiquariats, in dem die Bücher in zwei, drei Reihen im Regal stehen, wegkommen, hat probeweise 1 (in Worten: „ein“) Billy-Regal ausgeräumt - und das Wohnzimmer ertrinkt in sog. "Büchern". Also Abhilfe schaffen. Nun habe ich mich seit meinem Umzug nach Köln an Brutstätten des Bösen wie Heimwerkermärkte (den Theoretiker natürlich ausklammernd) gewöhnt, aber der Besuch eines IKEA-Einrichtungshauses (sagt man in der Szene so?!) bereitet mir nach wie vor, hüstel, Bäuchleingrimmen. Und ich hatte sie alle, alle im Ohr, die Bewertungen der Welt IKEA, vom „Fight Club“ bis zu Bernd Begemanns „Wir sind alle – in der IKEA-Falle“. Und dennoch mussten wir an einem Samstag dorthin. Die Erweiterung der Bibliothek, ein paar Regale für Frau Feynschliffs Büro und auch die Erwerbsarbeit ließ keinen anderen Zeitpunkt zu. An einem Samstagmorgen in einem IKEA: „Hölle, Hölle, Hölle!“ (Wolfgang Petry)
Wir waren sehr früh unterwegs, vor Aufregung war ich schon um 06.15 Uhr wach, da auf meine e-mail keine Resonanz erfolgte: „(…) Ich benötige für Samstag, 17.01.2009 um 12.00 Uhr einen Transporter. Ist es möglich, diesen vorzubestellen oder läuft das nach der Methode 'wer zuerst kommt mahlt zuerst'? Freue mich auf Ihre zeitnahe Antwort, beste Grüße Heiko Schomberg“. Also ging ich von der first-come-first-serve-Annahme aus. Ich wollte sichergehen, einen Leihtransporter zu erhaschen, denn der Transport von Billy-Regalen (auch wenn die Billyrückwand jetzt zweifach gefaltet ist und die Pakete damit nicht mehr so breit sind) mit einem Renault-TWINGO ist mehr als herausfordernd. Vorsichtig ausgedrückt.
Der Parkplatz war um 09.30 Uhr schon gut gefüllt, noch vor der Tür, man öffnet um 10.00 Uhr, Szenen, die bei mir Erinnerungen und Bilder im Kopf auslösten, die zwischen Herbst 1989 in Prag („Ausreise! Ausreise! Ausreise!“) und Siebzigerjahresommerschlußverkauf changierten; Kaufwillige in unfassbaren Menschtrauben unruhig vor der Tür stehend, im Kopfkino Bilder, in denen die Tageschau über den Start des Sommerschlußverkaufes mit Jahr für Jahr den nahezu gleichen Szenen berichtete: Langsam wird ein Rolltor hochgelassen, die davor befindliche Masse ist sofort elektrisiert und Teile der Konsumentenamorphheiten rollen & robben sich wie Soldaten unter dem Rolltor durch, in den Verkaufsraum, das erst 40, dann 60, dann 80 cm Platz lässt, um recht frühzeitig bei der Ware zu sein. Tiefste Gangart, um den Grabbeltisch zu erobern. Und dann wurde um 10.00 Uhr geöffnet… nun Sturm brich los…
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| Derzeit auf dem Plattenteller:
Sammlung Grässlin (Hg.): "Kippenberger fanden wir schon immer gut", Katalog, St. Georgen 1993
Ror Wolf: Raoul Tranchirers "Taschenkosmos", mit einem Nachwort von Günter Kämpf, Originalausgabe, Wagenbach, Berlin 2005
Utz Thimm und Karl-Heinz Wellmann (Hg.): "Essen ist menschlich. Zur Nahrungskultur der Gegenwart", Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003 Matthias Matussek: "Wir Deutschen. Warum uns die anderen gern haben können.", S. Fischer, Frankfurt / Main 2006 |
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Die frühe-Vogel-Wurm-Nummer erwies sich schnell als sehr gute Idee; ich ging zum Transporterverleih, erfuhr die Modalitäten, ein Reservieren sei nicht möglich („Sie warten maximal 30 bis 45 Minuten!“ „Ich bin um 11.00 Uhr wieder da und nagele Sie auf die Aussage fest!“ „Sehr gerne.“) und dann ging es los. Entweder wir kennen das schmutzige Geheimnis nicht, wie man den Weg durch den Ausstellungsbereich abkürzen kann oder wir waren schon da von den Erlebnissen total paralysiert. Wir starteten also mit der Volksmenge der Kaufwütigen und man kam sich vor wie beim Massenstart eines Marathons…. Nach 5 Minuten hatten wir das Gros der Menschen abgehangen und befanden uns in der wunderbaren Welt der Billy-Regale. Schnell das Produktportfolio gescreent, einen sehr freundlichen Mitarbeiter behelligt, der zu Protokoll gab, dass es 33 Prozent der zu Hause auf die Liste gesetzten Regaleinheiten nicht gab, schnell weiter, keine Zeit verlieren und dabei Niemanden anrempeln oder Kinder über den Haufen rennen. Im IKEA hat man ohnehin nicht den Eindruck, dass Deutschland ausstirbt. Was ich in der ersten halben Stunde lernte, außer der Tatsache, dass es um die Binnenkonjunktur in Deutschland so schlecht nicht bestellt sein kann: Im IKEA kann man Kinder nur noch gegen Vorlage eines gültigen Ausweises abgeben! Was passiert eigentlich, wenn die im Schmorland Smeargolland Småland nicht abgeholt werden: Bleiben die dann bis zur Volljährigkeit da? Samt Lehre mit 15 und daran anschließendem Bachelor in Massendesign und Instrumentenkunde der FH Uppsala?
Die Produktpalette nervt, das heißt, sie ist mir zu volatil: Alle vier, fünf Jahren ändern sie irgendwas. Als Leser, der über die korrespondierenden Produkte verfügt, treibe ich mich eben fast nur in der „Wohnen“-Abteilung rum. Und stelle fest, dass es keine Kontinuität in der Billy-Reihe gibt, dass es keine Gewissheiten mehr gibt. Und leider auch keine 60-cm-Billy-Regale mehr, dafür hat man wenigstens die Eckschränke aus dem Programm genommen und deshalb gibt es natürlich auch keine Eckregalaufsätze mehr.
Dann ging alles furchtbar schnell, wir waren von Gotteshand und den Fußbodenmarkierungen gesteuert im SB-Bereich, hatten uns die kryptischen Kürzel 7/8 und 9/10 notiert, luden die Produkte auf unseren Wagen und hatten auch keine danteesken Gemeinheiten im Kassenbereich mehr zu ertragen. Dann hatte ich kurzzeitig die Idee, ob der Neuverpackung der 202-cm-Regale von Billy (zusammengeklappte Rückwand, s.o.) könnten eben drei von diesen in den TWINGO passen, Frau Feynschliff konnte mir dieses faustische Tun nicht ausreden, ich manövrierte den Wagen mit den sperrigen Kartons in stoischer Ruhe durch die Blechlawine und wir verloren nur eine Viertelstunde, nach der ich dann flux wieder zum Leihtransportermann hechtete. Nachdem er alle Zettel und Papiere ausgefüllt, die Kaution entgegengenommen und mich ob meines Führerscheinphotos ausgelacht hatte, ging es los. Dank der Autobahnanbindung, des wenigen Verkehrs und meines Parkens in einer Arztausfahrt vor unserem Haus, gelang es uns, die ganze Aktion in 45 Minuten abzuschließen. Doch wir konnten nicht unter einer Stunde bleiben und mussten so weiter 18 Taler investieren, denn gegen 11.15 Uhr erlebte ich den ersten IKEA-induzierten Rückstau auf der Autobahn meines Lebens. Und tanken mussten wir auch noch.
Ich kam mir auf meinem Bock vor wie Manfred Krug auf Achse, als ich durch die Blechlawine kurvte, saß erhaben & erhöht im Führerhaus meines Mercedes-Sprinters, um eine Tankstelle in der Nähe zu finden. Ich fand dann auch eine in der Nähe, zwischen Metro und Karnevalswierts, stellte mich ein wenig ungeschickt beim Rangieren auf der Tankstelle an und ein freundlicher Herr mit Kölner Kennzeichen zeigte mir folgerichtig erstmal den Effenbergfinger! Das fand ich höchst unfein und notierte mir aufreizend sorgfältig das Kennzeichen des Herrn, untermalt von nickenden Kopfbewegungen und freundlichem Lächeln. Nachdem ich den Wagen dreimal suchend umrundet hatte, fand ich dann auch prompt den Einfüllstutzen. Diesel für 4,19 EURO eingefüllt und den Wagen auf den Parkplatz von Hertz zurückgebracht. Alles hätte so schön sein können…
Nächste Woche lest Ihr, wie es weitergeht, Euch eine gute Zeit, Euer Schomberg.
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