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Epistel aus der Inneren Betriebsruhe"Die wirkliche Entdeckungsreise besteht nicht in der Suche nach neuen Landschaften, sondern in einer neuen Art zu sehen." (Marcel Proust)
Entschleunigung! Am Freitagabend bin ich dann in die Innere Betriebsruhe gegangen, verfüge endlich über ein paar freie Tage bis zum 05.01.2009 und da kann man sich auch mal den wichtigen Dingen widmen. Ich habe endlich, endlich die grandiose Kippenberger-Biographie finalisiert, alles vorbereitet für die Aktion "Weihnacht in Warschau", mal wieder hochanalog sog. "Weihnachtsgrüße" handschriftlich verfasst & per Briefumschlag und -marke auf den Weg gegeben. Kurz vor Weihnachten kehrt man in sich, es bewegen einen die letzten Dinge, die existentiellen Gedanken: Wart Ihr früher GEHA oder Pelikan? ADIDAS oder Puma? Kippenberger oder Polke? / Humanismus oder Kunsthandwerk? Tintenkiller oder Ratzefummel? Beuys oder Richter? BMG oder FC Köln? Barfuß oder Lackschuh? Lufthieb oder Anhieb?
Oder reduziert dies das Denken wieder nur auf Konsumerinnerungen einer Minderheit mit westdeutschem Aufwachshintergrund? Die Generation Golf rückwärtsgewandt? Das positive von gestern gilt es zu bewahren. Und auch die Namengebung, die sich nicht an den Marvins, Kevins, Marilins oder Bronco-Cheyennes orientiert. Anton Michel als pars pro toto ist ein sehr, sehr guter Name, zeitlos, wie ich finde. Nachdenken: Kurz vor Weihnachten und in der Zeit zwischen den Jahren hält man inne, zieht Bilanz, sortiert aus. Zum Beispiel Speisekarten von Pizzalieferservicen, obwohl sicher die eine oder andere Perle der Fabulierkunst dabei war.
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| Aussortierte Lieferservicekarten:
Tele-Pizza
Euro Grill
Party Service Pavone
Pizza Rakete
Pizza Panda
Vingster Food-Service
Turbo Pizza
C’est la Vie
Pizz stop
China Imbiss China Town
Pizzeria Va Bene
Da Vito Pizza-Taxi
pizza team
Hallo Pizza!
Marco Polo’s Schnitzelfarm & Pizza-Taxi Lieferservice
The Pizza-Team
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Am Samstag habe ich nach Jahrzehnten mal wieder Hintergrundradio laufen lassen.... ein Fehler, wie ich zeitnah feststellen musste. Und ich konnte mich nicht dagegen wehren, das Radio sollte mir die Hausarbeit versüßen und ich habe mit Spülhänden leider kein Deutschlandfunk und WDR 5 bekommen. Die Umfrage lautete: "Welche Religion hatte Jesus?" Die gegebenen Top-Antworten waren: "Katholisch" resp. "bekenntnislos". Erschütternd. Danach so willenlos gewesen, dass ich Frau Feynschliff auf den Mittelaltermarkt am Kölner Schokoladenmuseum begleitete. War die Welt noch recht einfach am Weihnachtsmarkt in Marburg, am Stand gegenüber der "Sonne" (Glühwein oder Bier), so waren es nicht nur die mittelalterlichen Sauerkraut-Fleisch-Fladen, die für eine Sinnüberreizung sorgten. Ich wurde gezwungen, etwas von den pseudomittelalterlichen Leckereien zu probieren. Und ich habe es schon vorher gewusst: Einen Nanoschluck "Vikingerbluth" (Met & Kirschsaft) genommen und SOFORT SODBRENNEN. Noch unmittelbarer als nach der Lektüre von Norbert Tholens "Kennen Sie Nietzsche?", dtv, 2. Aufl., München 1999. Das erzeugt nur intellektuelles Sodbrennen. Stimmt es, was das ZAG behauptete, als es schrieb: "Hans-Jürgen Kolvenbach hatte immer dich vor seinem geistigen Auge, wenn er an die schönen Zeilen von Gottfried Benns Turin dachte:
Indes Europas Edelfäule
an Pau, Bayreuth und Epsom sog,
umarmte er zwei Droschkengäule,
bis ihn sein Wirt nach Hause zog."
Und dann war da noch der vorweihnachtliche Austausch der e-Brieffreunde, in denen die letzten und wichtigen Dinge vor dem apokalyptischen Jahr 2009 noch einmal herausgearbeitet wurden:
Es ist doch wirklich so heutzutage:
Ein Kind aus der Unterschicht heißt Kevin-Jeromé. Wenn es in der Schule rumzappelt, leidet es an ADS und bekommt Ritalin.
Ein Kind aus der Oberschicht heißt Tomke Finn-Leonard. Wenn es in der Schule rumzappelt, ist es hochbegabt.
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Dafür einfach nur: Danke, Klaustao! In diesen fünf Zeilen sind 90% aller Probleme dieses Landes erfasst. Die anderen zehn Prozent sind Mülltrennung und Dosenpfand. Und Borussia Mönchengladbach. Und manchmal scheint das Leben dann doch nicht so unerquicklich zu sein! Man beginnt zu lesen, "Der Internet Check-In ist nur für Fluggäste möglich, die ausschließlich mit Handgepäck reisen. Wenn Sie Sonder- oder aufzugebendes Gepäck haben, nutzen Sie bitte den regulären Check-In.", will sich schon mit dem Homer-Simpson-Lebensgefühl "Nein!" anderen Dingen zuwenden, und dann liest man doch weiter… "Sollten Sie am Flughafen Köln/Bonn abfliegen, so können Sie den Web Check-In auch mit Gepäck nutzen und geben dieses einfach am Baggage Drop-Off Schalter ab." Strike!
Auf Seite 550 der oben erwähnten Biographie kurz geglaubt, ich sei der Nachfolger von Kippi. Es ist wichtig, das Triviale zur Kunst zu erheben durch die Beachtung, durch die Beobachtung und es ist genau so entscheidend, immer alles von sich zu geben, es immer ernst zu meinen! Die gnadenlose Anverwandlung fremder Beiträge nicht zu vergessen. Viele eurer Beiträge werden unmittelbar ins eigene Werk überführt. Das ist die Schom Kippenbergerisierung der Welt! So, ich übe jetzt nochmal hundertmal die korrekte Aussprache von "Wesołych Świąt!". Vermutlich werde ich scheitern... nächste Woche zieht Rohrer fort!
Euch allen ein paar geruh- und erholsame Weihnachtstage, ein besinnliches FROHES FEST, Euer Schomberg
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