| |
Samstags im Saturn (Kaufhof, linksrheinisch, 12.46 Uhr): アンティック-珈琲店-Kennt jemand der von mir hochverehrten Leserschaft eigentlich die japanische Unterhaltungskapelle "An Cafe"? Nee, verstehe, ich auch nicht. Das heißt: Bis zum 21.03.2009 um 12.46 Uhr AUCH NICHT. Dann änderte sich alles.
Im verspäteten ICE Wolfgang Graf Berghe von Trips entschied ich mich am Dienstag zur Niederschrift des samstäglichen Erlebnisses. Im Vorfeld berichtete ich meiner Lektorin von meinem diabolischen Plan, sie entgegnete: "Reicht das denn für eine Ausgabe?" "Weiß nicht, wenn nicht, erfind‘ ich was. Wie immer!" Doch diesmal reichte es, die Eindrücke, Fakten, Ereignisse runterzuschreiben.
An Cafe.
Kannte. Ich. Auch. Nicht. Jedenfalls nicht bis zum Samstagmittag letzter Woche. Frau Feynschliff und ich trafen per Zufall auf der "richtigen" (hüstel, hüstel) Rheinseite einen ehemaligen Arbeitskollegen von mir. Er rief uns zu, dass im Saturn im Kaufhof "die Hölle los sei" und gab uns als Lebenshilfe mit auf den Weg, diesen großräumig zu umgehen. Das wiederum weckte natürlich meine Ethnologeninstinkte. Ich habe 'ne Nase ("Jaaaaa, ein Bluthund ist er!") für derlei Bizarrheiten. Schnell im 2001 ein Pfund Bücher (halb-halb) gekauft und ab in den Kaufhof auf der Schildergasse. Schon im Parterre gewann ich eine Idee davon, was der Ex-Kollege mit "bunt" und "kostümiert" meinte. Es liefen Trauben von Menschen im Alter zwischen elf und sechszehn Jahren herum, die durchaus eine gewisse, nun ja, Aufmerksamtkeit erzeugten.
"Köln, die Stadt, die", laut taz, "mehr Ringe hat als der Saturn und wenigstens an ihren 263 Regentagen noch eine Spur unwirtlicher wirkt (…)", erlebte also den Besuch der Heroen des J-Rock. Noch auf der Rolltreppe tippte ich eine e-mail, um oben angekommen lückenlos informiert zu sein. Mein Kontakt CAFH checkte, via BleiBeere von mir darum gebeten, die Lage und mailte auf meine tweetgewordene Frage „Saturn im Kaufhof. "An Cafe" ist (sind?) zu Gast. & Trilliarden von Teenies. Gekreische! Sind das "Mangos" oder "Emos"?” zurück:
laut wikipedia "eine j-rock bzw oshare kei-band aus japan." die fans sind wahrscheinlich alle mangaartig verkleidet, wa? ich schätze, in japan gibts auch ein paar misanthropen, die sich angesichts solcher jugend wieder einen krieg wünschen.
|
|
|
|
Derart aufgegleist erkundete ich die unwirtliche Szenerie. Die 4-köpfige Band (sehr, sehr buntig! Vielleicht waren es sogar 5 Mitglieder) saß an einem Tisch, die Anhängerschaft (zu 80 Prozent weiblich, vielleicht weniger, da die männliche Anhängerschaft auch Seitenschöpfe & -zöpfe sowie bunte Sommerkleider trug) wurde vom Sicherheitsdienst in Vierergruppen vorgelassen und dann wurde rumgekreischt und ein Blitzlichtgewitter überzog "An Cafe". Mit der gleichen stoischen Ruhe, mit der die Jungs von der Band das ertrugen, standen die Fans an, zum Teil ermahnt von ihren Eltern, Ruhe zu bewahren; Eltern, die ihre Kinder zum Termin fuhren, da es nicht zu empfehlen ist, als 11 1/2-jähriger zwei Stunden "auf" der Bahn und im ÖPNV von Radevormwald nach Köln zu verbringen.
Ich schoss einige Photos – mein Vorteil ist ja, dass ich etwa 20 bis 50 cm länger als das Gros der Fans bin und die Eltern sich aus akustischen Gründen nicht so nah an den Tisch, an der die Band tapfer und langmütig T-Shirts und CDs signierte, ranwagten. Doch ich fühlte mich auch mies: Zum allerersten Mal in meinem Leben hatte ich das gemeine Eltern-/Großelterngefühl! Denn: Ich habe von der Band, geschweige denn der korrespondierenden Subkultur bis zu diesem Tag noch nie etwas gehört. Und ich habe mich auch nur slightly lustig über die Figuren gemacht. Na klar, ich versuchte, die Spontaneinordnung der Anhängerschaft humoristisch zu verbrämen; ich habe die Figuren spontan als "Mangos" bezeichnet. Weil es auf drei Ebenen stimmt: Mongos, Mangas, Früchtchen. Aber mir war auch klar: So sehr dies eine fremde verrückte und zugleich faszinierende Welt für mich ist (vgl. auch Österreich, Republik), so gilt das umgekehrt auch für die Karnevalisten, diese bunte Mischung aus japanischer Comicfigur und Tekknofastnacht in Kindchenschema.
Denn wenn ich einen der jungen Menschen mit zum Morrissey-Konzert nähme, denken die auch: "Boar, guck‘ mal, was die alten Knacker für alberne Frisuren haben! Krass. Und die flippen total aus, weil der Greis auf der Bühne mit dem Mikrokabel Lasso spielt! Ey, der Typ da hinten mit den Koteletten hat sogar 'nen Pullunder an. Kreeeeiiiiiiiiiiiiiiisch!"
Und als ich noch unsicher war, ob ich darüber berichten soll, der corpsstudentische Bezug erschließt sich ja nicht auf den ersten Blick, brachte mich das ZAG zurück auf den Pfad der Tugend:
„zum glück hast ne vollklatsche, und wirst es schaffen, die begegnung mit der oshare-kei-welt zu verwerten für deinen nexten report aus deiner, schombergs, welt. tätest du es nicht, brächtest du deine leser gegen dich auf. sag ich mal so.
(...) Zumal in J-Rock- (den es von J-Pop zu unterscheiden gilt!) und Oshare-Kei-Zusammenhängen (ein MINDERER mensch als du würde jetzt resignieren. sagen. ok, ich sehe das so, im sinne von bewußtlosigkeit, und ich geb auf.)"
|
|
|
|
Niemals aufgeben. Und es gilt, "Quellen nicht nennen ist Verrat am Leser!" (Roland Tichy). In einem Saturn, nein, nicht dem großen am Hansaring, dem Backsteinbau mit dem Platz für gefühlte 15 Fanstastilliarden Menschen, nein, dem kleinen, beengten im Kaufhof, für vielleicht 200 Flaneure ausgelegt, der heimgesucht wurde von einer Tausendschaft entschlossener An-Cafe-Anhänger. Und ich war dabei. Bei der Autogrammstunde von An Cafe. Nicht von An Neclark. Oder An Teportas.
Hier gibt es kaum Inhalte zu vermitteln, sondern nur ein Gefühl. So stelle ich mir den Erstkontakt von behütet groß gewordenener britischer Upper-Class mit den Sex Pistols 1976 vor: Menschen vom Saturn Mars! Da weder der Rolling Stone, noch die FAZ, taz, WELT oder die Bäckerblume über die Jungens berichteten resp. ich einen Artikel wahrnahm, ging ich völlig unvorbereitet in diese Begegnung. Und ich konnte Anflüge der Haltung Ernestos, wie er sie pointiert vor längerer Zeit beim Bingospiel äußerte, kaum verhehlen und habe die Haltung auf den Kopf gestellt: "Ich bin zu jung alt für diese Schei**e!" Dann doch lieber Networking im Paternoster.
Finde ich.
Euch eine schöne Woche, ich werde mir im Selbstversuch mal GulleGulle "Cherry Saku Yuuki!!" anhören, Euer Schomberg.
|