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Marburg im Frühsommer 2008 - die Luft wird nicht immer dümmer...



... no cry... Marburg, die war-mal-Musenstadt an der Lahn, Sommer 2002, Südviertel.


sondern gewalttätiger!

 

Eigentlich wollte ich ja eine Kolumne über "Begegnungen im ICE", zum Beispiel im ICE Norbert Grupe oder ICE Lale Andersen schreiben, vielleicht ja auch über den Flug mit dem Airbus Liberace, aus Zeitgründen kam und kommt ein EM-Tagebuch nicht in Frage (außerdem ist das Turnier eh zu kurz und wir werden eh Europameister, wenn die Italiener nicht wieder rumfringsen), denkbar wären noch Ausführungen über den sofortigen & hocherfreulichen Wiederaufstieg meiner Borussia samt bildhafter Aussöhnung mit dem Präsidenten in Offenbach gewesen, erfreuliche Themen halt. Ja, jaaaa - und dann kam alles ganz anders.

 

Der Grund war der Link, den mir ein Corpsbruder am Dienstagmorgen per e-mail schickte, der las sich so:

 

Übergriffe auf Studenten

 

1. Marburg: Die Kriminalpolizei ermittelt nach dem Übergriff auf einen Verbindungsstudenten und einer Sachbeschädigung an dem Verbindungshaus in der Marburger Innenstadt seit Sonntag, dem 11. Mai und bittet um Hinweise zu entsprechenden Beobachtungen. Gegen 3.45 Uhr befand sich ein 34-jähriger Angehöriger des Verbindungshauses auf dem Nachhauseweg. In der Ketzerbach am Eingang zur Karmelitergasse sah er sich drei bis vier dunkel gekleideten langhaarigen Männern gegenüber. Sie schlugen ihn und entrissen ihm das mit Plaketten behangene Verbindungsband, das er über der Brust trug. Die Täter entkamen unerkannt. Eine detailiertere Beschreibung war dem alkoholisierten Opfer nicht möglich. Der Student blieb unverletzt. Wahrscheinlich besteht ein Zusammenhang zu vorangegangenen Sachbeschädigungen an dem Verbindungshaus in unmittelbarer Nähe. Zwei bislang unbekannte Täter versuchten, das Messingschild der Studentenverbindung am Grundstückzugang zu demontieren und mitzunehmen. Da die Studenten die Täter rechtzeitig entdeckten, blieb es hier beim Versuch. Die Männer flüchteten in Richtung Kirchspitze. Einer trug eine Jeans und einen weißblauen Pulli. Eine spätere Nachschau ergab, dass sie die Rückseite des Hauses mit Eiern beworfen hatten, ohne einen Schaden zu verursachen. Hinweise zu verdächtigen Beobachtungen im Friedrich-Siebert-Weg und in der Ketzerbach/Ecke Karmelitergasse melden Zeugen bitte der Kripo Marburg unter [...]

 

2. Marburg: In der Nacht zum Montag, dem 12. Mai, kam es in der Barfüßerstraße/Ecke Kugelgasse zu einem weiteren Übergriff auf einen alkoholisierten Verbindungsstudenten. Die Täter stahlen dem 29-jährigen Frankfurter sein verziertes Band. Der Angehörige der studentischen Verbindung kam vom Hainweg herunter und sah sich auf der Barfüßerstraße/Ecke Kugelgasse unvermittelt einer acht- bis zehnköpfigen Gruppe gegenüber. Zwei Männer sonderten sich ab und verwickelten ihn in eine Auseinandersetzung. Dabei rissen sie ihm das Burschenband vom Leib und flüchteten damit. Der Mann erschien am folgenden Mittag bei der Polizei und zeigte den Überfall an. Er beschrieb die beiden Täter als 190 cm groß und bekleidet mit olivfarbenen Tarnhosen. Einer der beiden hatte seine Haare zu sogenannten Dreadlocks gedreht. In der Gruppe befand sich ein schwarz gepunkteter, ansonsten heller Mischlingshund. Hinweise auf diese Personengruppe erbittet die Kripo Marburg, [...]

 

 

Hut ab, dachte ich, voll wie ein Gummibaum und doch noch in der Lage, den Hund genau beschreiben und identifizieren zu können. Das jedoch war das einzige Amüsemang beim Lesen. Dann Gedankenblitze wie "Sind das die linken Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag von 68?", "Ist das die neue Qualität der Auseinandersetzung?", "Direktfolgen des korporationsfreundlichen rot-grünen Magistrats" oder sogar "Hmmmh, lag ich 2001 mit der Formulierung 'Marburg = Weimar - light' nicht ganz daneben?". Eines der beiden Opfer ist ein Corpsbruder, und durch den Überfall so verletzt worden, das er beim "Clash of Kleinseelheim" nicht zur Verfügung steht. Warum darüber schreiben? Weil mir die fehlende Toleranz unglaublich auf den Sack geht! Warum haben wir 1997 – als die „korporationskritischen Kreise“ ihr komplettes Infomaterial gegen Verbindungen und den Marktfrühschoppen in der Nacht vor eben diesem komplett vor der Zimmertür eines Corpsbruders (Bens J.) lagerten, keine MATERIALAKTION durchgeführt; wir hätten die Kisten mit Pamphleten Tage nach der Veranstaltung als "gefunden" bei der Polizei abgeben können oder in einer Nacht-und-Nebeldruckaktion mit Bewertungen des Tuns, Zirkeln und Gegendarstellungen modifizieren. Haben wir nicht. Damals entsponn sich mit einer der engagierten Wortführerinnen, die ich auch aus der Uni kannte, folgender große Dialog. Elf Jahre ist es her, einen modifizierten Zettel mit Zirkel und anderen Parolen pro Marktfrühschoppen hatte ich dabei und hielt ihn ihr unter die Nase:

 

"Hallo Eva, das war aber nicht ganz so clever, ausgerechnet Euer gesamtes Material zwei Corpsstudenten vor die Bude zu stellen", es folgte das Präsentieren des Zettels, "guck’ mal, dies hätten wir mit all’ Euren Flugblätter machen können, doch im Gegensatz zu Euch predigen wir nicht nur Toleranz, sondern leben sie auch!". Sie war verblüfft, stammelte etwas wie "Ein Freund hat uns gesagt, der Ort sei sicher (sic!), warum habt Ihr nichts gemacht...danke...." Meine Reaktion war Grinsen, Erhobenheit, eine angedeute Verbeugung und eine siegesbewußte Rückkehr zum Bier aus Plastikbechern... Toleranz heißt Dummheit heißt Toleranz...?! [Quelle]

 

Nee, nee, das war halt damals die gute alte Oldschool-Kant-Nummer, so etwas wie "Was Du nicht willst, daß man Dir tu‘, das füg‘ auch keinem and’ren zu". Angestachelt durch diese unglaubliche, mittlerweile kriminelle Intoleranz, hatte ich aufgrund anderer Vorfälle 1997 schon mal 'n ziemlichen Riemen für unsere Verbandszeitschrift abgesondert. Das Lektorat hatte mir damals mein "die Luft wird immer dümmer" falsch korrigiert. Röhrig – man muss ja in Zeiten der kriminellen Übergriffe Tarnnamen verwenden, Röhrig schrieb mir Dienstag sinngemäß: Schreib‘ doch mal was über die linken Übergriffe in deiner Kolumne, "Dabei dürfte die Zeit von Deiner Admission bis heute ausreichen. Von meiner Einschätzung nach, dürfte Dir dieses dank Deines ausführlichen Archivs nicht allzu zeitraubend sein." O.k., wir reden hier also über einen Zeitraum vom Herbst 1993 bis zum Frühsommer 2004. Tja, die wichtigsten Punkte habe ich wahrlich im Kopf, das Bedrohen von rollstuhlfahrenden konfessionellen Verbindungsstudenten im Rahmen der Anti-Dyba-Proteste, das Schlagen, zu Boden werfen und Berauben von hochbetagten "Alten Herren" um die Neunzig, etc. pp. Es mögen Einzeltäter sein, und die Mehrheit der Korporationsgegner diese Exzesse nicht gutheißen, aber irgendwie fehlt mir persönlich das, was von uns stets erwartet wird: Das Distanzieren von allem und Jedem... das kam nach solchen Übergriffen nie aus dieser Ecke.... wenn man jung ist, will man zuuuuuuviel ;-)

 

Plakate, die 2001 in ganz Marburg hingen... ach, was sag' ich, im romantischen Rückblick die Plakate, in GANZ Mittelhessen hingen ;-)) 

Herrlich, der 2001er-Gang durch die Phil.-Fak.... aber ein Exemplar konnte ich vorsichtig ablösen und habe eine tolle Erinnerung an die "wonnevolle Jugendzeit" in unserer Küche...

 

Damals nahm ich ich die "Antikorposzene" anders wahr, man konnte miteinander sprechen, reden!, ohne sich die Fr***se zu polieren, ich war mittendrin – andere nennen es "Studium der Politologie – und ich hatte den Eindruck, dass es bei aller Meinungsstärke und klaren Haltungen für oder wider Verbindungen (die differenzierte Betrachtung von Corpsstudenten habe ich immer versucht reinzubringen und meine/n Gegenüber durch SACHARGUMENTE zu irritieren (Wir nehmen auch Zivildienstleistende, Ausländer, Homosexuelle auf, nein wir sind keine NaSos, sind unpolitisch nach außen, nee, wir nehmen keine Frauen auf... und ja, wir tragen Band und Mütze). Dieser intellektuelle Austausch hat mir in der – vor allem burschenschaftlichen Szene nicht viele Freunde gebracht - ich hätte mich damals nicht über eine Plakatwand oder ein paar Plakate der extremistischen Burschenschaften á la „Ich bin eine 5. Kolonne“ gewundert. Bekommen habe ich stattdessen 2001 das spannende Erlebnis, morgens zur Arbeit zu gehen und auf einmal im ganzen Stadtbild mein Konterfei (Loriot würde dazu sagen "Damals war ich etwas dicker… ähem… damals hatte ich Koteletten, öhm, damals trug ich die Koteletten länger….") zu finden. Und auch in der Universität war alles vollgespflastert... eine verrückte Zeit.... Damals hatte ich aber auch noch die Zeit, Lust und Kraft zur Auseinandersetzung, leider habe ich an der MFS-Seite seit Jahren nichts mehr gemacht. Vielleicht sollte man das mal wieder aufleben lassen. Aber immerhin kam ich damals zu der Ehre, dass man behauptete, ich habe den Marktfrühschoppen angemeldet, was totaler Humbug war, aber häufig geht es ja darum: Information ist sch****e – Meinung ist wichtig!“.

 

2002 frug ich noch spaßeshalber: Wollen die uns alle ertränken und enteignen? Das war noch zu der friedlichen Hunde-die-bellen-beißen-nicht-Zeit, man schrieb, […] die Korporationen sind immer noch nicht aufgelöst, ihre Häuser stehen immer noch, und die Verbindungen zu den lokalen und überregionalen Eliten sind stabil wie eh und je. Bestes Beispiel dafür war das öffentliche Absingen aller drei Strophen des Deutschlandliedes durch den Marburger Oberbürgermeister Möller auf dem außerordentlichen Burschentag der rechtsradikalen Deutschen Burschenschaft im April dieses Jahres. Deshalb: Marktfrühschoppen fluten – Burschen in die Lahn!” und ich nahm es als skurriles Flugblatt einer Minderheit. 2002 hatte ich aber noch die Power, mich mit den Kritkern auf eine Diskussion einzulassen, da tauschte man sich in Foren und per e-mail noch aus, da konnte ich schreiben, "Muss ich mich immer gebetsmühlenartig von allen distanzieren?! Da feieren auch nicht korporierte Bürgerinnen und Bürger mit, die sicherlich noch weiter rechts draussen sind als einige Korporierte - und von denen erwartet man auch nicht, dass ich mich abgrenze. Allein dem Corpsstudententum ist kein Extremismus a priori inne." [Quelle] Der letzte Satz ist von der Formulierung her nicht allererste Sahne, aber inhaltlich top! Aber ich bin ja auch befangen. Und wieder mal zwei, drei Jahre später eine weitere Radikalisierung, mit Rauswurf und Hausverbot...

 

Meine [linksliberale... psssssst!] Lebensgefährtin durfte sich aber im Rahmen eines Selbstversuches davon überzeugen, wie tolerant weite Teile der linken Antiko-Szene Marburgs sind. 2005 oder 2006 im "Havanna acht" (Kneipenkollektiv), wir sitzen dort friedlich herum und trinken Bier, die Menschen hinter der Theke gucken ab und zu herüber, mit diesem Blick, ich habe ja mittlerweile ein Auge dafür, sage zu ihr, "Wetten, dass es gleich Ärger gibt und wir hier rausfliegen, die wissen, dass ich korporiert bin…" "Woher?" "Keine Ahnung, vermutlich 'nen gut gehenden Nachrichtendienst…" und dann kam der Verhörkellner, trat an unseren Tisch, sagte "Du bist doch in der Verbindung, oder?!", Anja konnte es kaum glauben, mit einem siegessicheren Lächeln bejahte ich und vermied aus Rücksichtsnahme auf meine Begleitung jegliche mögliche Provokation und Bewertung des Verhaltens (Totalitarismus, sonstige -ismen, Kraftausdrücke, etc.) und kam der hinterhergeschobenen Aufforderung, "schnell auszutrinken und mich zu verpissen", nach. Mein Ziel, gelebte Toleranz herauszupräparieren hatte ich ja erreicht.

 

So, und nur zwei weitere Jahre später wird also gezielt Jagd auf Verbindungsstudenten gemacht. Dankeschön: Was Pisa und Bologna-Prozess nicht vollends schaffen, versuchen jetzt kriminelle Schlägertrupps. Und es wird mittlerweile gewalttätig umgesetzt, was seit Jahren in Flugis gefordert wird. Prost, Mahlzeit! Alleine aus Gründen von Widerstand und Zivilcourage sollte man sich auf dem Marktfrühschoppen 2008 in vollem Wichs blicken lassen. Die EM ist ja dann auch schon vorbei, oder?

 

Diesmal ganz klar herausgestellt, und selbst für den Dümmsten und / oder Böswilligsten verstehbar:

 

Den Inhalt dieser Kolumne verantworte ganz allein ich – wie immer - und er gibt auch nicht die Meinung des Corps Suevia-Strassburg zu Marburg wieder. Danke, bitte. Schomberg (Kühnlschüler & Corpsstudent)