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Limburg-Süd, Ohrenschmerzen, Faktor 100



Bild im Büro, Bitmap auf Massenspeicher (2008). Galerie Heyjmbersch Düsseldorf.


 

Ich musste in letzter Zeit mehr an Boulevardmagazine und Willi Herren denken, als mir lieb ist. Wie ist das zu erklären? Es ist die Faszination für das Unbekannte. Ich versuche in andere Welten einzutauchen, habe mir duch Glavinic' "Die Arbeit der Nacht" auch temporär einen Verfolgungswahn light angelesen, aber eigentlich fasziniert mich nur diese Willi-Herren-Subkultur, in der Menschen wie er tatsächlich kulturelle Referenzpunkte sind. Dieses Video von seinem Einzug in die Frankfurter Diskothek oder seine ekstatisch umjubelten Ballermann-Auftritte - unfassbar. Es bleibt zu befürchten, dass WIR aus der Lese-, Reflektier- und Nachdenkliga die Subkultur sind und Willi Herren & Friends die große Mehrheit. "Willi Herren & Friends" klingt wie 'ne Werbeagentur, sollte ich mal in die Schwulität kommen, eine Werbeagentur gründen zu müssen, so nenne ich sie entweder "Theoretiker" oder natürlich "Limburg-Süd". Sitze der beiden wäre dennoch Hamburg. Oder Düsseldorf. Oder wo man außerhalb von Berlin als ernstzunehmende Werbeagentur so sitzt.

 

Wir waren unlängst wieder im "Blauen König" und meine Befürchtungen, auch dieses Kleinod könne den Dirk-Bach runtergehen, wurden GOTT-SEI-AUF-KNIEEN-GEDANKT nicht bestätigt. Kann man hingehen, nähert sich der alten Stärke an, gut: eine Oase in Kalk bleibt. Wie sollte man es sonst in Ostköln aushalten? Was hat Faktor 100 zu bedeuten? Es ist das Stichwort für den Umstand, dass ich mich aus Konzilianz um Material für eine eigenständige Ausgabe bringe, denn da gab es noch die recht bizarre Geschichte mit meinem Lieblings-Social-Network-Tool. Die Jungens und Mädels hatten einen klitzekleinen Fehler in der Abrechnungssoftware, dieser böse Fehlerteufel sorgte dafür, dass das Komma um zwei Stellen nach rechts verrückt wurde (sic!) und meine Kreditkarte nicht mit 191,10 EURO Anzeigenkosten, sondern mit 19110,00 EURO belastet wurde; all das hat sich zeitnah in Wohlgefallen aufgelöst. Das Schöne an Web 2.0 ist ja, dass man die entscheidenden Spieler sofort anfunken kann; nach einer "hochpointierten" Nachricht hatte ich den Firmengründer zeitnah auf allen ihm zur Verfügung stehenden Mailboxen mit Rückrufbitten... warum? WEIL ICH ES KANN!!!! (Wiek). Ach, o.k., kurz angerissen, keine Namen, keine Namen... was war also los:

 

Mich ruft eine gleichermaßen freundliche wie hysterische Dame an, um mir mitzuteilen, dass es einen Fehler bei der Abbuchung der aktuellen Rechnungen meiner Marketplaceanzeige gab. Ich musste gut auf die Dame einreden, damit sie sich beruhigte – und erst nach investigativem Nachfassen erzählte sie mir, dass man sich um den Faktor 100 vertan hatte. Sie faselte, serviceorientiert aber durch den Wind, stets etwas von Kulanzlösung, „als Kunde nicht verlieren“, pipapo.

 

Damit war die Sache für mich erst einmal erledigt, aber dann war ich doch etwas, hüstel, „verschnupft“, als ich eine automatisch generierte Mahn-e-mail erhielt: „Sehr geehrte-/r Herr Schomberg, wie wir Ihnen bereits mitgeteilt haben, konnte die noch ausstehende Forderung nicht abgebucht werden. Bisher wurde noch keine Zahlung von Ihnen verzeichnet. Sollten Sie den fälligen Betrag zwischenzeitlich überwiesen haben, ist diese Zahlungserinnerung hinfällig. […] Bitte halten Sie die Zahlungsfrist unbedingt ein, da wir den offenen Forderungsbetrag sonst an unser Inkassobüro übergeben müssen.“

 

O.K. – Rock’n’Roll! Ich als Verein musste reagieren (Hans Löring) und schrieb u.a. an den Firmengründer und die Rechnungsstellungstruppe: „Sie haben mir das weder mitgeteilt, noch haben Sie eine Software im Einsatz, die den Ihnen zustehenden Betrag fehlerfrei einziehen kann. Ich freue mich also auf Ihre Antwort und Ihre Lösungsvorschläge, alldieweil ich nichts anweisen werde, was dann von meinem Privatkonto belastet würde. Nicht, dass wir uns missverstehen: Ein Softwarefehler, wenn es denn einer war, kann immer mal passieren. Eine solche e-mail hinterherzuschicken ist, vorsichtig ausgedrückt, unklug und undiplomatisch. Beste Grüße, Ihr Heiko Schomberg. P.S.: Wenn Sie mal gute CRM-Berater brauchen, stelle ich Ihnen gerne einen Kontakt zu meinen Businesskollegen her!“ Wie gehabt, nach dieser kurzen Eingabe hatte ich den Sportsfreund hochengagiert auf allen Mailboxen, er hat direkt alles zugegeben und die Angelegenheit löste sich zu meiner vollen Zufriedenheit und nina-ruge-gemäß!

 

Leider nimmt kaum jemand noch die "Software für Snobs" in die Hand und die Menschen nehmen sich einfach keine Zeit mehr so wie ich: Der Tag beginnt manchmal mit einer kurzen Berufsbild-Beratung am Kalker Kiosk in der U-Bahn-Zwischenebene... Ich wünschte, ich wäre ein klein bisschen Vicco von Bülow, um folgenden Dialog mit dem richtigen Timing wiedergeben zu können. Wichtig ist immer das Timing. Und Meinung, natürlich.

 

"Heute keine Zeitung?"

 

"Nein, ich muss eine Präsentation im Zug vorbereiten."

 

"Als was arbeiten Sie? Staatsanwalt?"

 

"Nein, ich bin Unternehmensberater." (Simplifizierung regelt!)

 

"Aha."

 

"Schönen Tag noch..."

 

"Eine Frage: Was ist das: 'Vermögensberater'? Und was ist 'Pharmaberater'?"

 

"Pharmareferent", ich erkläre es, um Einfachheit der Berufsbilderkärung heiß bemüht.

 

"Ah, mein Neffe soll Medikamente und Tropfen zu die Ärzte bringen?"

 

"Jepp, so in etwa"...

 

 

Am gleichen Tag höchstkonspirativste Übergabe von Karten für den Gästeblock, Ostermontag in Aachen; mein Mitborusse ganz Profi, hatte die Karten zwischen zwei Litern homogenisierter Milch versteckt, Basler Platz, in Frankfurt / Main, keine Polizei, ein gebrauchter Schein. Der Schalterbeamte schaute verstört aus der Sparkasse - vor der die Übergabe erfolgte - heraus, als er uns da stehen und diskutieren sah. Eintrittskartendeals in der Öffentlichkeit als neuer & finaler Kick, wer benötigt da schon Bungeejumping, Kiten, Quadfahren oder Extreme-Gerontokassenanstelling. Ich habe ein seeeehr gutes Gefühl.

 

Lesen bildet ungemein. Sach' ich ma' so, sag' ich mal. Als "Nebenhappen" zu Georgie Orwells Down and out in Beverly Hills "Erledigt in Paris und London. Bericht", ein bisschen in 'nem anderen Buch geschmökert (ein Ausdruck, der leider immer mehr der Vergessenheit anheim fällt! Leider, leider, leider - da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!) und da fand ich die Worte, die mich in ihrer kristallenen Schönheit und Herzenswärme zutiefst berührten: "Die weißen Helme und Brustpanzer der interstellaren Ordnungsmacht nutzen unzivilisierte Teddybären als Bongotrommeln. Darth Vaders Tod besiegelt den Sieg des Anarchismus über die Einheit des Reiches und seine pax universalis" (Niels Werber in: „Die größten Schurken der Filmgeschichte. Von Dr. Mabuse bis Hannibal Lecter“, 1. Aufl., Leipzig 2000)

 

Eben noch auf dem Sprung erfahren: Die Russen haben gestern einen Flugkörper ins All geschossen, er soll gerüchteweise "Sputnik" heißen. Das wird dem Ami nicht schmecken. So, ich muss mich auf meine dreitägige Bahnfahrt nach Walsrode vorbereiten und mir noch als Imbiss ein paar Soleier und Käseigel machen.

 

Grüße aus dem "vergessenen Stadtteil" und Frohe Ostern, Euer Jupe d'Ecosse (biologische Logikeinheit wider den Faktor 100)