Begegnungen und Gedanken im ICE... (I)
Die Grundidee zu dieser Ausgabe entstand einst im ICE Lale Andersen und der Grund war dieser Riesendialog mit dem Schaffner, nicht erfunden, nicht geschliffen, den ich - etwas anders - schon in Ausgabe 183 verwendete:
"Zusteiger die Fahrkarten, bitte."
Ich reagiere nicht, er wiederholt in Speichelriechnähe (200 Phon):
"Zusteiger die Fahrkarten, bitte!!!!"
"Tut mir leid, ich bin Aufsteiger und habe mich einfach nicht angesprochen gefühlt!"
... ja und da wusste ich: Das kann doch nicht alles gewesen sein.... daraus könnte ich doch mal wieder 'ne artifizielle Ausgabe bestreiten, deren Leser sich an einer Hand abzählen lassen, ja und manchmal muss ein Mann Autor tun, was ein Autor Mann tun muss....
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Vor einer Weile im ICE Klaus Nomi mit einem Mitreisenden diskutiert, warum man selber gute Ideen in Nonprofitbereich hat und die anderen Geld damit verdienen, beispielsweise die Herren Spörrle und Schumacher.
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Mitte Mai dann weiteres aus der Reihe ICE-Begegnungen, diesmal im ICE Friedrich Nietzsche: 20 min. - DUS-CGN mit einem Herren um die Ende 50, der bei ZF Friedrichshafen AG in Schweinfurt arbeitet.
Er hat sich in Essen ein Wegwerfhandy gekauft, frug ein paar Mal, ob ich ihn verstehe ("Hochdeutsch ist so 'ne Sache", "Ich weiß, aber ich habe Freunde aus Franken") und war sehr mitteilsam. Er erwarb ein paar feine Stücke auf der Briefmarkenmesse in Essen, die er sich nach Hause schicken läßt.
Er hatte Jutebeutel und eine Aktentasche auf seinen Knieen drapiert und natürlich auch einen Kugelschreiber in der Hemdtasche - die analoge Version des Mobiltelefons am Gürtel. „Soll ich das nach oben legen?“ „Nein, nein, ich vergesse das sonst.“ Wir unterhalten uns 15 Minuten über dies und das.
Ich steige aus und entbiete den Tagesgruß samt "gute Weiterfahrt".
"Gute Fahrt und gutes Weiterleben, sag' ich mal so!"
Vielleicht muß ich auch mal auf eine Briefmarkenmesse nach Essen, danach scheint man in sich zu ruhen....
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Sitzplatzsuche im ICE Norbert Grupe. Ich wähle zu Beginn ein lorioteskes Intro, um einen Herren zu befragen, welcher Platz neben ihm denn frei sei:
"Entschuldigen Sie bitte, sind Sie 'Köln-Aschaffenburg' oder 'Düsseldorf-Frankfurt'?"
"Bitte?"
"Das ist Imbissdeutsch und bedeutet: Sitzen Sie auf dem reservierten Platz oder auf dem Freien."
"Ich sitze auf dem Platz am Fenster, dieser ist erst ab Köln reserviert, also frei."
"Verstehe, aber soviel Verstand erwarte ich im öffentlichen Raum einfach nicht mehr. Danke sehr"
Pfingstreiseverkehr.
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Neulich im ICE Blinky Palermo:
Ein Freund landete mit dem Airbus Liberace auf Konrad Adenauer und nahm den ICE vom Flughafen Köln-Bonn. Er berichtet weiter: Ein Rentner neben mir bekommt alle zwei Minuten Anrufe seiner besorgten Enkel, die ihn in Hagen am Bahnsteig erwarten. (Tippe mal meinungsstark auf Erbschleicher).
Der Klingelton ist mordslaut und natürlich im ansteigend!-Modus.
Ich: "Sagen Sie mal, geht der Klingelton eigentlich noch lauter?"
Er, verstört: "Wieso?"
Ich: "Dann bekommt der Lokführer auch mit, wenn Sie angerufen werden."
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Unlängst im ICE Gregor Samsa die Nerven verloren.
Rentnerin, die vom Überwintern aus Mallorca kommt, nervt im ICE Gregor Samsa und kramt ständig in ihrem Handgepäck herum. Ihr Rucksack mit ihrem Gepäck (samt der beiden Höllensticks für's "Nordisch Trödeln") passen nicht in die Ablage und obwohl ich ihr freundlicherweise anbot, das Geraffel in die Ablage zu verbringen, pault sie mich an, als ich die Botschaft überbringe, das es nicht passe...
Hustet die ganze Zeit.
Nervt.
Bewegt sich.
Und fummelt rum, stets in ihren Plastiktüten, Zeitung raus, Journal rein, in K-Mülheim die Nerven verloren, im Buch "Gebrauchsanweisung fuer Japan" auf dem Höllenritt CGN-DUS nur eine Seite weitergekommen, dann pointiert aber sehr ruhig gesagt:
"Sie fahrige, tuberkolöse Nordic-Walking-Faschistin, hören Sie umgehend auf rumzukramen und geben Sie endlich Ruhe. Ich baue das Land auch auf. Danke. Bitte."
Ich bin die tickende Zeitbombe, nicht Willi Herren.
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Gottseidank vor elf Jahren das erste und einzige Mal mit dem ICE Wilhelm Conrad Röntgen gefahren. Im Zug ein verwirrter Herr, der mit einem Spargelschäler Kohlrabi bearbeitete. Wir kamen ins Gespräch. Er erklärte, er sei auf dem Weg nach Kassel und müsste da ein paar Bäume pflanzen, denn er hatte ein klares Ziel: "Das Ziel ist die ganze Welt mit Bäumen vollzupflanzen [...] da müssen die anderen Leute nachher Sibirien, die Mongolei, Südafrika, ganz Afrika, die Wüste vollpflanzen, Sahara [...] alles, es geht alles!"
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Im Bordbistro des ICE Klaus-Jürgen-Wussow kurz neben Joachim Lottmann gesessen. Umgekehrt wäre ich recht beunruhigt gewesen. Dann hätte ich das "Boulevardfrühstück" verweigert, mit dem ich "in den Tag startete".
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Und am Ende des Tages - qua als Sahnehäubchen nach der Fahrt mit dem ICE Volker Lechtenbrink erlebte ich an der Kalker Kapelle meine erste Lifefestnahme in diesem Quartal, ein BTM-Verstoß samt Widerstand gegen die Staatsgewalt...
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Ich hoffe viele der Corpsbrüder & Assoziierten kommen Ende des Monats mit dem Intercity Rosa Luxemburg nach Marburg zum 130. Stiftungsfest, bis dahin, Euer Schomberg.
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