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Milch ist ein Stück Lebenssaft...



Eine Theke in Köln. Zu lang nicht mehr da gewesen. Auch hier herrscht Milchknappheit. Wie im ganzen Lande. Und der mögliche EM-Erfolg soll doch nur von der katastrophalen Versorgungslage ablenken. Nur redet keiner offen darüber. Aber wenn Ihr Euch den ersten "White Russian" mit altem Milchpulver anrührt, dann werdet ihr sehen, wie ernst die Lage ist!


 

Ich weiß ja nicht, inwiefern der Milchstreik die Musenstadt an der Lahn & Alma Mater Philippina traf, die Auswirkungen bei uns in Ostköln waren enorm.

 

Anfang letzter Woche im Edeka. Keine Milch vorhanden. Und ich streue auch noch Salz in die Wunde, indem ich dort jovial nachfrage: "Sachens Jong, jibbet 'n Versorgungsengpass? Ist keine Milch gekommen?" "Nee, gestern nicht und morgen kommt auch keine mit." Mit dem Ausdruck des Bedauerns, das sofort in pure Panik übergeht, ansatzlos, erklärt der Edekamitarbeiter die Lieferungen der kommenden Zeit: Es kommt keine neue Milch, und dass nach dem Ausverkauf der Fettstufe 3,5% zeitnah auch das Hamstern der 1,5-prozentigen H-Milch begann. Ich antworte erschüttert: "Nee! Meine Freundin meinte letzten Samstag noch, die müssen wir bunkern des Streiks wegen und da habe ich mal 'n Karton mitgenommen, aber so jett! Das ist erschütternd, das kennen wir doch gar nicht mehr." "Da warste' wohl nich' der Einzige, der sich bevorratete!" Uiiii, das ist also der höfliche Ausdruck für Hamstern-light, tja, Frau Feynschliff hatte mich aber ermahnt, Milchprodukte zu "bevorraten". Scheinbar war ich wirklich nicht alleine mit meinem Handeln. So diktiert mir diese grenzwertige Versorgungssituation die Inhalte meiner Kolumne.

 

Ursprünglich wollte ich diese Ausgabe ja "Vom Topperformer zur Kopierhilfe" nennen, als mir eine ehemalige Kollegin eine e-mail schickte, in der u.a. stand: "Bin nur völlig durch den Wind im Moment, lasse meinen Laptop in Aachen stehen und merke es erst 2 Tage später an der Sicherheitskontrolle am Kölner Flughafen, gieße die Cola in den Aschenbecher (ohne es zu bemerken, erst als ich nach dem Glas greifen wollte...) und suche morgens verzweifelt meine Kippen, um sie dann abends zufällig im Kühlschrank wiederzufinden. So geht das in einer Tour... mein Gehirn schaltet sich ab und ich weiß leider noch nicht, warum und was ich dagegen tun soll :-/ ich stelle zwei Tage vorm Rückflug fest, dass ich den Flug 3 Wochen vorher zwar gebucht, aber auch direkt wieder storniert hatte, schleppe ein 900 Seiten Buch mit, auf das ich mich seit Tagen freue, um dann im Hotel festzustellen, dass ich es bereits zwei Monate vorher gelesen habe..." Ist das eine Folge des Milchmangels oder einfach Überarbeitung? Tja, was soll man da empfehlen? Wäre ich nicht selber ständig unter Strom und Mr. Multitasker, würde ich so etwas verrücktes wie "Entspannung" vorschlagen, oder "Ausgleichssport". Denkbar wäre aber auch "Lesen". Aber das entspannt ja auch nicht, es sei denn, man hat amüsante Späterwachsenenkritik auf dem Plattenteller.

Franz Josef Wagner zur EURO 2008:

 

"Liebes Italien,": "Sie schießen ein Tor und verschwinden mit deiner Frau." [Text]

"Lieber Lucas Podolski,": "Das Wort Herz-Bürgerschaft widme ich Ihnen, lieber Lukas. Es fiel mir beim Schreiben dieses Briefes zu." [Text]

"Liebe weinende Schweiz,": "Es ist so herzergreifend, wie der Fußballspieler Alexander Frei für seine Mannschaft, für sein Land stirbt." [Text]

"Liebe Deutsche Nationalelf,": "Schnell fällt das 2:0. Dieser Schuss war für mich, wie wenn die Blumen nicht mehr blühen." [Text]

Ich habe diesmal für einen dünnen Band nahezu zwei Wochen benötigt, Botho Strauß' "Paare, Passanten". Ich bin nicht in der Lage, dieses Buch in weniger als einem Achtzigzeiler einzuordnen oder prägnant auszudrücken, warum man das Buch lesen MUSS! Es geht halt um das große GANZE und um die Frage "Was heißt: Realität bewältigen, zielstrebig? Wie will einer das anstellen? Wenn sie doch ehrlich sagen würden: es richtet sich jeder darauf ein, auf gut Glück durchzukommen, ohne dabei seinen Verstand und seine Selbstachtung zu verlieren." (Botho Strauß)

 

Was, bitteschön, bedeutet Selbstachtung, wenn in Ostköln die Milchvorräte zu Neige gehen, obwohl Funk & Fernsehen uns vorgaukeln, man hätte sich im Sinne der Milchbauern geeinigt?

 

Dass das nicht stimmt, zeigen andere Filialen in Hamburg. Eine Edeka-Mitarbeiterin ist ganz offen: "So langsam geht’s los. Buttermilch und Quark sind schon sehr knapp. Die Milchlieferungen heute waren auch nicht so üppig wie sonst." Auch hier sind die Regale dementsprechend übersichtlich gefüllt. [Quelle]

 

Das wahrhaft Abgefahrene: Am Abend des 11.06.2008 gab es immer noch keine Milch. Aber wenigstens auch kein kühles Bier, oder zumindest recht wenig davon. Und dieses ganze pablik fjuing-Volk in der Bahn..... Auf den letzten Drücker versucht, die Kommandoaktion "R-Dorf" zu forcieren, vor dem Spiel gegen Kroatien (wo zur Hölle ist Alesia?), irgendwo in einem Büdchen auf dem Weg noch was Kaltes zu trinken zu bekommen, Milch gibt's ja ohnehin keine - mit ganz kleinen Leinentaschen ausgestattet, aus Düsseldorf kommend. Diesmal mit dem ICE Paul Weller. Der Kiosk der neuen Mitmieter ist geöffnet, ich hatte nach ITA-NED & ITA - ROM Angst, er könne in den Rhein gegangen sein; nein, Gottseidank nicht, es gibt noch Leben in der Wohnung über uns. LEISES LEBEN. Hihi. Aber leider kein gekühltes Reissdorf.

 

Dann die erlösende Nachricht in BILD Köln, am 12.06.2008, eine Anzeige von Lidl: "(...) zur Existenzsicherung der Milchbauern hat Lidl als erstes Unternehmen die Einkaufspreise für die Molkereien pro Liter um 10 Cent (brutto) erhöht. Lidl hat dem Ladenverkaufspreis pro Liter Milch nur um 7 Cent erhöht. Dies bedeutet, dass Lidl einen Teil der Mehrkosten selbst trägt. Auf Lidl ist Verlass - auch zukünftig." Es folgen Preisangaben "Sie bekommen Milch und Butter bei Lidl zu folgenden Preisen: (...)" Lidl hat wieder einmal das Land gerettet. Und im Edeka umme' Ecke gibt es auch wieder das "weiße Gold". Wir haben ja sonst nichts in Kalk. ;-) Wir haben ja nie was gehabt...

 

Aufgrund aktueller Ereignisse die Österreichfahne abgehangen und die Hans-Dietrich-Genscher-Biographie in den Keller verbracht. Das Auslöserspiel u.a. mit einem "kleinen Menschen", sprich einem zweieinhalbjährigen Kind gesehen: Ich agierte sehr gedämpft, kein Vokalterror, nein, die härteste der von mir benutzten Beschimpfungen, u.a. für den Schiri war "Flötenotto". Und zum ersten Mal seit 35 Jahren wieder "Scheibenkleister!" gerufen. Schlimme Sache für mich, denn Fußball ist auch immer Metafußball. In meiner Welt. Und überhaupt:

 

Keine Milch, kein kühles Bier: JA, WO LEBEN WIR DENN?????????? Gebremste Grüsse, Euer Schomberg.