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"Berlin muss neu gestrichen werden" - Martin Kippenberger im Hamburger Bahnhof



... mit albernen Filzpantoffeln läuft ein Ehepaar mittleren Alters auf einer Collage herum, die erst vor kurzem wiedergefunden wurde...




Einer von Euch unter Euch mit Euch!




Robert Härtel: "Ein unfassbarer künstlerischer Output von Kippenberger, ich bin froh, dass es damals nicht twitter gegeben hat, der hätte die Leute zuge*****en!"




"Mann mit abgenommener Schirmschlagballmütze betrachtet Bild IV."




"Der überkommene Kunstbegriff, der das vom Künstler geschaffene singuläre Kunstwerk meint, ist damit entschieden in Frage gestellt. Beuys geht es in erster Linie um die künstlerische Erziehung des Menschen; erst wenn die Kunst in alle Lehr- und Lebensbereiche integriert ist, kann es eine leistungsfähige geistige und demokratische Gesellschaft geben. Das die 'Soziale Plastik' von vielen Menschen mit Beuys gleichgestellt wurde, störte ihn nicht; Kritikern gegenüber war es bis zu einem gewissen Grad geduldig - und da er gern lachte und schlagfertig war, zog er immer wieder die Lacher auf seine Seite." (Heiner Stachelhaus)




Zwei Wochen ist jetzt her, dass ich Franz Josef Wagner NICHT traf! Ich hätte sehr, sehr gerne über diese Begegnung geschrieben... hier!


“Besser ein lebendes Komma als ein toter Punkt.” (Martin Kippenberger) [Rückblick auf die Kippenberger-Ausstellung — Berlin, Hamburger Bahnhof, 8. August 2013.]

 

Eines vorweg: Berlin hat neben Flughafengeschichten und Spätis auch kulturell unglaublich viel zu bieten. Man macht halt nur zu wenig. Umso schöner, wenn sich die passende Gelegenheit ergibt, dieses Dilemma zu ändern: Der Änderungsgrund: Die Kippenberger-Ausstellung „sehr gut | very good“

 

Es fing Tage zuvor an mit der Kommentarfunktion [zu einem launig-romantischen Meier III- Beitrag Michels] in der Facebook-Schwabengruppe:

 

"Hey Härtel, falls Du nächsten Donnerstag (08.08.) Zeit hast: Der Onkel guckt sich die Kippi-Ausstellung mit der Tante in diesem Berlin an. Willste mitkommen? Hornungs treffen wir am Abend zum “Dinner”..." [Schomberg]

 

"sehr gut. machen wir so. alles notiert" [Härtel]

 

Bei mir dachte ich da so eher beiläufig: "Cool, dann mach ich mit dem Schomberg ‘Kippe’...

 

Ich hatte begonnen, mich zwischenzeitlich vorzubereiten – Kippenberger war mir nur dem Namen nach geläufig, bislang jedoch ohne Tiefenwirkung geblieben. Einlesen macht Vorfreude! Besagter Tag wirft wettertechnisch zunächst Fragen im Schmargendorfer Wohnsitz auf. Ein unschön-klebriges Gemisch zwischen Sonne und Regen – so ein bisschen wie Berliner Weiße.

 

"Was zieh' ich heute an?" [Härtel] "Schirm." [Mitbewohner aka Stürcken]

 

Ich finde was Passendes, der Kippenberger'schen Formel "Schönheit ist unverwundbar" folgend. Zwar ist die Anreise für mich mehr umstandsbehaftet (Berliner S-Bahn) als für Familie Schomberg aka Feynschliff (nur Flutfahrplan der Deutschen Bahn). Kaum verwunderlich, dass ich trotz eigener großspuriger Ankündigung “15 min eher, gar kein Problem” - ausklammernd Geldautomatenbesuch und Großbaustelle um den Hamburger Bahnhof herum - beinahe zu spät komme. Musste vorher ja auch noch eine Statusmeldung absetzen:

 

"'Ibo and the feynschliffs' rocken Berlin. Teilnahme im Hamburger Bahnhof - Kulturschaffen und Kultur schaffen. Sehr gut."

 

Very good! Angekommen, herzlicher Empfang durch die Feynschliffs und nach kurzen Einstiegsdialogen...

 

"Du hast die Haare aber kurz! Kennt ihr [auf seine Frau weisend] Euch eigentlich?" [Schomberg]

 

"Ja, von Deinem 40sten. Ist aber lange her." [Härtel]

 

"Bääämm." [Schomberg]

 

...dreifache und große Verwunderung über die lange Schlange. O-Ton Trialog:

 

"An einem Donnerstag!!!"

 

"Ziemlich viel’ junge Leute hier. Das macht Hoffnung, dass nicht alles hier im Land verloren ist."

 

"Alles Touristen."

 

Nach dem trotz längerer Schlange doch eher kurzen Vorgeplänkel interagiert Schomberg direkt mit der Dame an der Kasse und speichert ungefragt Informationen aus:

 

"Ich habe Tallow/Unschlitt vor 20 Jahren in Mönchengladbach bewacht." [Schomberg]

 

"Die Fettblöcke sehen nicht mehr so jut aus, datt sehense jleich, wa." [Kassendame]

 

So finde ich mich - eingeladen zur kompletten Ausstellung, denn Onkel will auch "den Beuys" sehen - und Frau Feynschliff an der Garderobe wieder, unsere beiden Umhängetaschen seien “ja doch eher groß” (Mitarbeiterin). Borgmäßig fügen wir uns, es ist immerhin kostenlos. Schomberg orientiert sich bereits, um uns anschließend in den vermeintlich ersten Raum der Kippenberger-Ausstellung zu leiten. Vermeintlich deshalb, weil der Onkel nicht zu Unrecht bemerkt:

 

"Mensch Meier, museumspädagogisch ist das hier alles 'ne glatte 6-"

 

Doch das kann Schomberg am besten selbst erzählen:

 

In der Tat: Museumspädagogisch und von der Besucherführung im Eingangsbereich war das wirklich ein glattes Ungenügend – mit Rücksicht auf die Eltern! Ein paar Pfeile und gelbe Füße zur Richtungsweisung hätten hier Wunder gewirkt.

 

Aber, wenn man dann den großen Teil der Ausstellung, die keine Retrospektive sein will, endlich gefunden hat (und nicht gezwungen wird, das Ende direkt zu sehen!), dann erwarten den geneigten Beobachter: 300 Werke auf 3.000 Quadratmetern. In einer luftigen Hängung. Getreu dem Motto: "Jeder Künstler ist ein Mensch."

 

Ist Kippi, der LiLaLaune-Beuys? Denn sein Credo lautete: "Und ich arbeite daran, dass die Leute sagen können: Kippenberger war gute Laune!" Die Frontstellung ist kristallklar: „Kippi“ (der Mensch) versus Martin Kippenberger (der Künstler). Der eine ist ohne den anderen nicht zu haben.

 

„Kippenberger raus aus Berlin!“

Er hatte es halt verstanden: "Herrenwitze sind so wichtig wie der liebe Gott" und natürlich, als er seine Übersiedlung nach West-Berlin erklärte: "Berlin muss neu gestrichen werden". Schon im Vorfeld der Ausstellung war mir völlig schleierhaft, warum es zu dieser Ausstellung keinen Katalog gab. Ein Verbrechen! Ich wäre bereit gewesen, das Euro-Äquivalent eines 30-Liter-Fasses Licher dafür zu zahlen. Doch eine Dame von der Buchhandlung Walther König (Köln ist halt überall!), die ich nach der Ausstellung beim Postkartenkauf investigativ befragte, erklärte, dass bis kurz vor Ausstellungsbeginn noch Werke dazukamen – und andere wieder abgegeben werden mussten.

 

Aus der vielfältigen digitalen Lektüre zur Ausstellung waren mir einige meinungsstarke Äußerungen der Journalisten in Erinnerung geblieben: "Wir sind alle älter geworden, nur 'Kippi' eben nicht, und das tut gut." (Tanja Dückers) Es flackerten Mauerstadtgefühle und eine Zeitreise à la "Herr Lehmann" bei den Feynschliffs auf: "Damals waren die Schwaben in Berlin noch Hausbesetzer und nicht Hausbesitzer..." (Tanja Dückers) Ein gutes Gefühl bei 2/3 der Kulturgruppe: Die Achtziger überlebt habend. WIR. Das heißt: Meine Frau und ich. Für Härtel ist es ja nur eine Kindheitserinnerung – aber wir stellten fest, dass er dann doch die ein oder andere Eismarke („Flutschfinger“) noch kannte...

 

Pointiert auch Kippenbergers Werk "Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken". Stark. Gut. Schlau. Seiner Zeit voraus! Weder "Kritik" noch "subversiver Dilettantismus". Er hat die Guidoknoppisierung der Geschichte schon vor deren Beginn ironisch abgeurteilt! Denn wie seine Schwester so treffend über ihn sagte: "Menschen, nicht Orte wurden sein Zuhause." (Susanne Kippenberger).

 

Infoblock:

Kippenberger ist übrigens der Ur- oder Ur-Ur-Enkel von Otto Leverkus, Suevias erster Renonce. Wie immer gilt: Alles hängt mit allem zusammen und: Gott würfelt nicht.

Härtel, dem ich deutlich mehr Informationen zum Werk Kippenbergers einflößte, als ein menschliches Ohr ohne Blutung verträgt, fasste das vielfältig künstlerische Werk sehr treffend zusammen: „Ein unfassbarer künstlerischer Output von Kippenberger, ich bin froh, dass es damals nicht twitter gegeben hat, der hätte die Leute zuge*****en!"

 

Oder weniger pointiert ausgedrückt: "Ikonoklastisch betrieb er die Vertreibung der Mittelmäßigkeit mit dem Erfolg des Einsamen." (Reiner Speck) ...und nach der Kippenberger-Ausstellung hatte ich dann wirklich noch die Gelegenheit, die Joseph-Beuys-Installation "Tallow/Unschlitt" zu sehen, die ich 1992/1993 im Museum Abteiberg zu Mönchengladbach bewachte...

 

Und ich erinnerte mich an den Einstiegs-Dialog mit der Kassiererin zu Beginn:

 

"Ich habe Tallow/Unschlitt vor 20 Jahren in Mönchengladbach bewacht." "Die Fettblöcke sehen nicht mehr so jut aus, datt sehense jleich, wa."

 

Sie sahen nie anders aus.

 

Alles in allem: Das war ein großartiges Kunsterlebnis!!!! Am Abend wurde der Elektrolythaushalt (Meta-Kunst, Kunst-Kunst, Bier-Kunst) zusammen mit Hornung und seiner Lebensgefährtin wieder auf Vordermann/-frau gebracht, Materialaktion am Ausstellungsort Tiergartenquelle. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Aber auch "very good".

 

Robert Härtel / Heiko Schomberg.